Paschinger Schlössl: Im Porsche zur Stefan-Zweig-Villa

Zwei weltberühmte Namen. Der eine ist der eines gefeierten Schriftstellers, der andere der des Oberhaupts einer legendären Automobil-Dynastie. Was aber hat Stefan Zweig mit Wolfgang Porsche zu tun? Nun, es ist die gemeinsame Wohnadresse.
Stefan Zweig besaß in der Zwischenkriegszeit das Paschinger Schlössl in Salzburg, das heute Wolfgang Porsche gehört. Jetzt ist ein weit über die Grenzen der Mozartstadt hinausgehender Wirbel um die herrschaftliche Residenz ausgebrochen. Denn der Aufsichtsratsvorsitzende der gleichnamigen Automarke möchte für eine neue Zufahrt zu seiner Villa einen Tunnel in den unter Landschaftsschutz stehenden Kapuzinerberg graben.
Private Zufahrt zur Zweig-Villa von Wolfgang Porsche
Zum Paschinger Schlössl, auch Stefan-Zweig-Villa genannt, führt ein steiler, schmaler Weg, der nicht nur für Sportwagen der Nobelmarke Porsche schwer befahrbar ist. Daher soll jetzt, wie der KURIER berichtete, auf Wunsch von Wolfgang Porsche, dem Enkel des Firmengründers Ferdinand Porsche, ein 500 Meter langer Stollen errichtet werden, der die dann aufwendig renovierte Villa leichter erreichbar macht. Sehr zum Widerwillen einer Salzburger Bürgerbewegung.
„Zauberhafter Blick“
Die Anreise zum Paschinger Schlössl war immer schon schwierig, zu Stefan Zweigs Zeiten war sie überhaupt „unzugänglich für Autos und nur mit mehr als hundert Stufen zu erklimmen“, wie der große Literat in seinen Erinnerungen „Die Welt von Gestern“ schreibt. Der mühsame Fußmarsch hätte sich aber gelohnt, bietet die Terrasse der Villa doch „einen zauberhaften Blick über Dächer und Giebel der vieltürmigen Stadt“, bis hinüber zur Festung Hohensalzburg.
Schon Stefan Zweig ließ das 1917 erworbene, völlig heruntergekommene Schlössl großzügig renovieren und erstmals elektrisches Licht, eine für damalige Zeiten moderne Heizung und einen Telefonanschluss installieren. Dermaßen aufgemöbelt, wurde das Anwesen am Kapuzinerberg zum Treffpunkt von Zweigs Künstlerfreunden wie Thomas Mann, Hugo von Hofmannsthal, Arthur Schnitzler, Franz Werfel, Hermann Bahr, James Joyce und Richard Strauss. „Freilich war Salzburg damals“, schreibt Stefan Zweig weiter, „noch nicht die durch ihre Festspiele berühmte (und im Sommer snobistisch sich gebärdende) Rendezvousstadt der Prominenten, sondern ein antiquarisches, schläfriges, romantisches Städtchen am letzten Abhange der Alpen“.

„Sternstunden der Menschheit“
Stefan Zweig war in den 15 Jahren, in denen er das Schlössl mit seiner ersten Frau Friderike bewohnte, außerordentlich produktiv, verfasste hier wesentliche Werke, darunter seine „Sternstunden der Menschheit“ sowie Biografien über Joseph Fouché und Marie Antoinette.
Das heute unter Denkmalschutz stehende und zum UNESCO-Welterbe gehörende Gebäude wurde im 17. Jahrhundert als Jagdschloss errichtet, davor stand hier ein Gartenhäuschen. Nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges war das Grundstück für den Ernstfall als Waffenplatz des Fürstbischofs von Salzburg gedacht – der kriegerische Ernstfall ist jedoch nicht eingetreten.
Mozart kam auf Besuch
Die Liegenschaft hatte zahlreiche Eigentümer, einer hieß Anton Paschinger, dem sie heute noch ihren Namen verdankt. Ende des 18. Jahrhunderts war das Schlössl im Besitz der Anna Helene Hermes von Fürstenhof, die es mit ihrer Familie als Sommerresidenz nutzte. Durch sie ging hier Salzburgs berühmtester Sohn ein und aus: Die Fürstenhof-Töchter erhielten Klavierunterricht von Maria Anna „Nannerl“ Mozart, die die Familie mehrmals privat gemeinsam mit ihrem Bruder Wolfgang Amadeus besuchte.
Auch zu einem weiteren Musikgenie gibt es einen Bezug: Stefan Zweig war ein großer Sammler wertvoller Bücher, Autografen und Antiquitäten, und so kam es, dass er den Schreibtisch Ludwig van Beethovens erwarb und im Paschinger Schlössl aufstellte.
Das Rollen von Panzern
Stefan Zweig liebte das einzigartige Anwesen am Kapuzinerberg – bis es im Frühjahr 1934 von der Polizei des austrofaschistischen Ständestaates gestürmt und aus nicht nachvollziehbaren Gründen nach Waffen durchsucht wurde. „Mein Haus gefiel mir nicht mehr nach jenem amtlichen Besuche“, schreibt Zweig, „und ein Gefühl sagte mir, dass solche Episoden nur schüchternes Vorspiel viel weiter reichender Eingriffe waren“. Der weltberühmte Literat packte seine Koffer, fuhr nach England und kehrte nie wieder zurück, denn er sah, prophetisch wie kein anderer, die Machtübernahme der Nationalsozialisten auf Österreich zukommen.
Was daran lag, dass das Paschinger Schlössl so nahe an dem bereits von Hitler beherrschten Deutschen Reich lag, „dass ich nachts, von der deutschen Grenze her, immer das Rollen von Panzern hörte und dort angesichts der nahen Nazihorden nicht mehr ruhig schlafen konnte“.
Der Abschiedsbrief
Während Stefan Zweig das Paschinger Schlössl im Jahr 1937, also noch vor dem „Anschluss“, an die Salzburger Kaufmannsfamilie Gollhofer verkaufte, beschwor er in London seinen Freund und Schriftstellerkollegen Carl Zuckmayer, seinen Besitz in Österreich, so lange dies noch möglich wäre, ebenfalls abzustoßen und im sicheren Großbritannien zu bleiben. Doch Zuckmayer glaubte nicht an die Nazigefahr und kehrte in sein Haus in Henndorf am Wallersee zurück. Um sich nach Einmarsch der Hitler-Truppen auf die Flucht begeben zu müssen. Ohne sein Hab und Gut mitnehmen zu können, wie Stefan Zweig es vorhergesehen hatte. Die Familie Gollhofer behielt das Paschinger Schlössl bis zum Jahr 2020, ehe sie es an seinen jetzigen Besitzer, den heute 81-jährigen Wolfgang Porsche, verkaufte.
Stefan Zweig war von England über die USA, Argentinien und Paraguay nach Brasilien emigriert, wo er sich am 23. Februar 1942 im Alter von 60 Jahren gemeinsam mit seiner zweiten Frau Lotte das Leben nahm. Als Grund gab er in seinem Abschiedsbrief die Zerstörung seiner „geistigen Heimat Europa“ an.
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