Mirabell-Werk schließt: Letzte Salzburger Mozartkugel wurde produziert

Mirabell-Werk schließt: Letzte Salzburger Mozartkugel wurde produziert
Werk in Grödig bei Salzburg schließt nach 127 Jahren. Eine Hommage an die goldigen Kugerln und ein Ausblick in die ungewisse Zukunft.

Leere Stockwerke und Produktionshallen, verwaiste Gänge, Maschinen, die schon jahrelang nicht mehr in Betrieb waren. Alles bedeckt von einer Schicht Staub und begleitet vom Geruch des Abschieds. Nur im ersten Stock tut sich noch was. Der Duft von Schokolade und Nüssen hängt schwer in der Luft, die Gerätschaften rattern und zischen, Fließbänder bewegen Material von A nach B, fleißige Hände bessern nach, wo die Technik versagt. Aber auch diese Betriebsamkeit hat ein Ablaufdatum.

Und das ist der 5. Dezember, an diesem Tag rollte hier die letzte, golden verpackte Mirabell Mozartkugel in den Auffangcontainer. 17,1 Gramm kugelrunde Schokolade mit Pistazien-Marzipan-Nougatkern aus Salzburg sind Geschichte. Das Werk in Grödig, in dem das Unternehmen "Salzburg Schokolade" die "Echten Salzburger Mozartkugeln" produzierte, wird für immer geschlossen.

Mirabell-Werk schließt: Letzte Salzburger Mozartkugel wurde produziert

"Sterben auf Raten"

Wie es mit diesem Stück österreichischer Tradition weitergehen wird, ist ungewiss. Der Großkonzern Mondelez, der alle Rechte an dem Produkt hat, ist geizig mit Informationen. "Es ist ein Sterben auf Raten gewesen“, sagt eine, die es wissen muss. Katharina Lindner ist die Qualitätsmanagerin des Betriebs und seit fast zehn Jahren vor Ort. Vor zwei Jahren werkten hier 160 Mitarbeitende, derzeit sind es 40, bis am 31. 12. die letzten Verbliebenen das Areal verlassen werden.

Drei Produkte für den österreichischen Markt sind bis zum Schluss in der Produktion: Mozartkugeln, Mozarttaler und Milketten. In der Vergangenheit wurden bis zu 12.000 Tonnen Süßigkeiten pro Jahr für Mondelez produziert, zuletzt war es nur noch eine Tonne jährlich.

Mirabell-Werk schließt: Letzte Salzburger Mozartkugel wurde produziert

Qualitätsmanagerin Katharina Lindner

Im Juni wurde nach turbulenten Vorjahren das endgültige Aus für den Standort und das Unternehmen bekannt. "Wer gehen wollte, ist gegangen. Aber alle in der Produktion wollen diese Ära noch zu Ende bringen", sagt Lindner und schiebt den Plastikvorhang zum Allerheiligsten zur Seite.

Schnell wird klar: Was hier an Maschinen steht und noch funktioniert, hat teils historischen Wert. Das macht das Schauspiel, das sich hier abspielt, noch charmanter: Aus dem Marzipanröstkessel kommt die Ausgangsmasse auf ein Fließband, wird durch eine Form gepresst und durch zwei Tanks, befüllt mit hellem und dunklem Nougat, geschleust. Ein bisschen Zucker drauf und ab zur nächsten Station, in der das Innenleben zu Kugeln geformt und gekühlt wird, bevor die kleinen, runden Dinger aufs Tablett purzeln und dort von wohlwollenden Händen entgegengenommen werden.

Das goldene Papierl

In der Zwischenzeit wird flüssige Schokolade in Formen gegossen, durchgerüttelt, umgedreht und als Schokohülle gekühlt. Umsichtige Menschen kontrollieren, dass wirklich jede Schokohülle einen Marzipankern bekommt. Dann wird es wieder kalt und schließlich geht es ans Verpacken. Bevor die goldene Folie mit dem Mozart-Konterfei ins Spiel kommt, geht es aber noch durch den Metalldetektor, um Maschinenabrieb auszuschließen.

Kleine Saugnäpfe ziehen die Schokokugeln jetzt in eine Vorrichtung, die sich im Kreis dreht und sehr viel Lärm macht, während sie die Kugeln rundum ins funkelnde Gold einwickelt. Zum Schluss purzeln die süßen Köstlichkeiten in Gebinde, werden auf Paletten gestapelt und für das weitere Verpacken nach Tschechien transportiert. Von dort kommen sie wieder in den österreichischen Handel. "Das passierte früher alles hier am Standort, bis nach und nach immer mehr Bereiche ausgelagert wurden", weiß Qualitätsmanagerin Katharina Lindner.

Mirabell-Werk schließt: Letzte Salzburger Mozartkugel wurde produziert

Magersüchtiger Mozart

Nicht jede Kugel schafft es in den Supermarkt, die 2. Wahl wird im hauseigenen Geschäft verkauft, das seit Bekanntwerden der Schließung gestürmt wird. Welche Teile werden aussortiert? "Wichtig ist: Mozart muss gut erkennbar sein", erklärt die Biologin Lindner: "Sein Gesicht darf weder verschrumpelt noch magersüchtig sein."

Die letzten Kugerln werden sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Salzburg Schokolade am Donnerstag sichern. "Vielleicht grabe ich meine im Garten ein und schaue, was passiert", lacht Lindner, die auf den letzten Metern noch eine große Aufgabe hat: "Motivieren und allen in Erinnerung rufen, dass in unserer Branche nichts einfach egal ist. Was wir produzieren, essen Menschen." Die Stimmung in der Belegschaft ist klarerweise gedämpft. Es ist eigenartig, auf das Ende hinzuarbeiten.

Auf neun Monate war bis vor Kurzem das Mindesthaltbarkeitsdatum der Mozartkugeln festgelegt, knapp vor dem Produktionsaus hob Mondelez dieses plötzlich auf ein Jahr an. Um mögliche Engpässe im Handel zu überbrücken? Katharina Lindner lächelt verschmitzt. Und schweigt. Die 45-Jährige hat bereits einen neuen Job, auch die Unternehmen aus der Umgebung zeigen Interesse an denen, die hier bald nicht mehr arbeiten können.

Ein Streifzug durch die leeren Hallen ist eine dystopische Reise in längst vergangene Zeiten. Dort der Waffelofen, der schon lange keine Waffeln mehr bäckt. Ein Stockwerk darüber der abgesperrte Pralinenraum, in dem Proben von jeder einzelnen Charge zu Kontrollzwecken zurückgehalten wurden. Gleich daneben der Mehlsilo und im Keller die Schokotanks für die Rohstoffe. Riesige Lagerflächen mit Verpackungsmaterial und Paletten. Grundstimmung: entrisch.

Mirabell-Werk schließt: Letzte Salzburger Mozartkugel wurde produziert

Bittersüßes Ende

Was mit den Sachen passieren wird, weiß niemand: Einige Maschinen konnten bereits verkauft werden, der Rest wird von Friedrich Plail, der seit Sommer in den Büchern Geschäftsführer des maroden Unternehmens ist, abgewickelt werden. Wie es mit dem Standort und dem Gebäude weitergeht, ist derzeit ungewiss. Fix ist nur eines: Die "Echten Salzburger Mozartkugeln" kommen ab Jahresende nicht mehr aus Salzburg und somit geht eine 127-jährige Erfolgstory zu Ende.

Bittersüß.

.

Kommentare