Menschenhändlerring in Österreich: Nun gibt es erste Urteile

PROZESS "LAUT ANKLAGE FRAUEN VON KOLUMBIEN ZUR ILLEGALEN PROSTITUTION NACH ÖSTERREICH GELOCKT: SIEBEN BESCHULDIGTE"
Drei Frauen und zwei Männer waren zum Teil geständig. Laut der Anklage wurden 43 Frauen aus Kolumbien nach Österreich gelockt.

Zusammenfassung

  • Am Landesgericht Salzburg wurden fünf Angeklagte wegen grenzüberschreitendem Prostitutionshandel, Menschenhandel und Zuhälterei zu Haftstrafen zwischen 15 Monaten bedingt und sechs Jahren unbedingt verurteilt.
  • Die Täter sollen 43 Frauen aus Kolumbien mit falschen Versprechungen nach Österreich gelockt, ausgebeutet, eingeschüchtert und teils misshandelt haben.
  • Der Kopf der internationalen Bande ist flüchtig, weitere Verdächtige wurden bei einer Großrazzia in Kolumbien festgenommen.

Am Landesgericht Salzburg ist am Mittwoch ein Prozess wegen grenzüberschreitenden Prostitutionshandels, Menschenhandels, Zuhälterei und weiterer Delikte mit Urteilen beendet worden. Die Haftstrafen für die fünf Angeklagten, darunter drei Frauen, reichen von sechs Jahren unbedingt bis zu 15 Monaten bedingt. 

Sie sollen Teil einer internationalen Bande gewesen sein, die 43 Frauen aus Kolumbien mit falschen Versprechungen nach Österreich gelockt und ausgebeutet haben soll. Die fünf Angeklagten zeigten sich in dem mehrtägigen Prozess vor dem Schöffengericht zum Teil geständig. Sie wurden heute nahezu anklagekonform nicht rechtskräftig verurteilt. Die Staatsanwaltschaft gab keine Erklärung ab. 

Hauptangeklagte zu sechs Jahren verurteilt 

Die Hauptangeklagte, eine 31-jährige Rumänin, deren Verteidiger ebenfalls keine Erklärung abgab, erhielt sechs Jahre unbedingte Haft. Zusätzlich muss sie für jedes der acht Opfer, die sich dem Verfahren angeschlossen haben, 1.000 Euro Schmerzengeld bezahlen. 

Die Zweitangeklagte, 32-jährige Oberösterreicherin, wurde zu viereinhalb Jahren unbedingter Haft verurteilt. Der Drittangeklagte, 38-jährige Österreicher, bekam 24 Monate teilbedingt, davon 18 Monate bedingt. Der Viertangeklagte, ebenfalls 38-jährige Österreicher, erhielt 15 Monate bedingt sowie eine Geldstrafe von 1.800 Euro, und die Fünfangeklagte, eine 39-jährige Österreicherin, kassierte 24 Monate teilbedingt, davon 18 Monate bedingt. 

Zwei Kolumbianer im Alter von 29 Jahren, die ebenfalls angeklagt waren, sind nicht zur Verhandlung gekommen. Der Strafrahmen reichte in dieser Causa bis zu zehn Jahren Haft. Ursprünglich hat das Gericht 21 Verhandlungstage festgelegt, der Prozess ist wegen der Teilgeständnisse schon früher als geplant beendet worden. 

Falsche Versprechungen

Laut der 71-seitigen Anklageschrift habe die kriminelle Vereinigung den kolumbianischen Frauen über Kontaktpersonen in Kolumbien und anhand von Werbevideos in sozialen Medien ab Mai 2021 bis August 2024 vorgetäuscht, sie könnten in Österreich legal als Prostituierte arbeiten und viel Geld verdienen. Sie müssten lediglich für die Flug- und Quartierskosten aufkommen. 

Entgegen diesen Versprechen seien die aus ärmlichen Verhältnissen stammenden Frauen als illegale Sexarbeiterinnen eingesetzt und ausgebeutet worden, heißt es in der Anklageschrift. Wie die Opfer später den Ermittlern schilderten, wurden sie eingeschüchtert und teils auch misshandelt. Einen Großteil ihres Verdienstes hätten sie abgeben müssen. 

Kopf der Bande auf der Flucht 

Laut Staatsanwalt habe die kriminelle Vereinigung zunächst von Salzburg und später, als bereits Ermittlungen eingeleitet worden sind, von der Türkei aus agiert. Die Erstangeklagte Rumänin soll die Lebensgefährtin und rechte Hand des „Chefs“ gewesen sein, mit dem sie ein gemeinsames Kind hat. Der österreichisch-türkische Staatsbürger soll sich derzeit aber auf der Flucht befinden. 

Der spanisch sprechenden Rumänin, die Anfang 2023 wie die Zweitangeklagte im Salzburger Flachgau einen Wohnsitz gemeldet hatte, wird angelastet, dass sie kolumbianischen Frauen über Werbevideos und andere Kommunikationsmittel wie Messengerdienste eine seriöse Sexarbeit versprochen habe. Die Beschuldigte soll auch Flüge der Frauen organisiert haben, die wegen der Visumspflicht jeweils nur drei Monate nach Österreich reisen konnten. Sie soll die Opfer an Freier angeboten und die Rolle als Übersetzerin eingenommen haben - auch in einem Video, in dem den Frauen als Druckmittel Gewalt angedroht und auch angetan wurde. 

PROZESS "LAUT ANKLAGE FRAUEN VON KOLUMBIEN ZUR ILLEGALEN PROSTITUTION NACH ÖSTERREICH GELOCKT: SIEBEN BESCHULDIGTE"

Die 32-jährige, aus Oberösterreich stammende Zweitangeklagte habe die Frauen laut Anklage an die Freier vermittelt, die Drittangeklagte soll Autos für die Fahrten der Prostituierten zu den Freiern angemietet haben. Die angeklagten Männer sollen die Opfer zu den Freiern chauffiert und das Entgelt für die sexuellen Dienste eingesammelt haben. 

Später mussten die Kolumbianerinnen das Geld an unterschiedliche Empfänger überweisen, wie der Staatsanwalt ausführte. Nur ganz selten durften sie kleinere Beträge an ihre Familien überweisen. 

Zweitangeklagte verglich ihr Leben mit einer Netflix-Serie 

Die Anklage basiere auch auf dem Ergebnis der Einvernahme von Beschuldigten und der 18 Opfern. Es sei auch das Tagebuch der Zweitangeklagten sichergestellt worden, in dem sie ihr Leben mit einer Netflix-Serie verglichen habe, erklärte der Staatsanwalt. 

Wer von den als Prostituierte angeworbenen Frauen nicht gehorchte, den soll der Drahtzieher des Menschenhändlernetzwerkes den Ermittlungen zufolge auch mit dem Tod bedroht haben. Wer sich den strengen Vorgaben der Täter widersetzte, wurde demnach schwer misshandelt. 

„Die Gewaltakte filmten die Kriminellen und nutzten die Videos, um andere Opfer einzuschüchtern“, hatte Europol im September berichtet. Darüber hinaus übten sie Kontrolle durch Drohungen und Gewaltakte gegen Familienangehörige in Kolumbien aus. 

Verteidiger: Angeklagte nahmen nur untergeordnete Rolle ein 

Die fünf Angeklagten zeigten sich laut ihren Verteidigern vor dem Schöffensenat teilweise geständig. Die Anwälte der drei Frauen erklärten unisono, dass es sich bei ihnen nicht um führende Mitglieder eines kriminellen Netzwerkes gehandelt habe, sondern sie hätten nur eine untergeordnete Rolle eingenommen. Sie seien mit dem Chef der Bande, der mittlerweile untergetaucht ist, in einer persönlichen Beziehung gestanden und von ihm in dasselbe Schema der Abhängigkeit gepresst worden wie die Opfer.

 „Sie hatte Angst um ihr Leben“, sagte der Verteidiger der Zweitangeklagten. Er kritisierte, dass entlastende Fakten in der Anklageschrift kaum erwähnt worden seien. Wie der Verteidiger der Erstangeklagten erklärte, habe nicht sie die Flüge organisiert, sondern die kolumbianische Lebensgefährtin der Drahtzieherin in Kolumbien, die denselben Vornamen trage wie die Erstangeklagte. Wegen dieser Namensverwechslung sei der Angeklagten eine tragende Rolle zugeordnet worden, was jedoch nicht stimme. Da ihr Lebensgefährte, der „Europa-Chef“ der Bande, nicht Spanisch sprechen konnte, sei sie als Übersetzerin tätig gewesen, auch in einem Video. 

Weitere Verdächtige verhaftet 

Der Verteidiger der Fünftangeklagten sagte, sie sei verliebt in den Kopf der Bande und ihm hörig gewesen. Und der Anwalt der beschuldigten Österreicher erklärte, die Männer aus Salzburg seien Taxifahrer und hätten in Ausübung ihres Berufes Personen von A nach B gefahren. Die Aussage eines Mandanten vor der Polizei habe zudem zur Aufklärung des Falles beigetragen. 

Mittlerweile wurden weitere Personen in Zusammenhang mit diesem Fall verhaftet. Bei einer international koordinierten Großrazzia sind am 5. September in Kolumbien fünf verdächtige Kolumbianer festgenommen worden. Die Staatsanwaltschaft Salzburg hat die Festnahme der fünf verdächtigen Kolumbianer angeordnet. 

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