Die Sucht nach dem großen Glück
Eine Sirene ertönt lautstark, der Automat blinkt in allen Farben des Regenbogens. Mit einem Knopfdruck zwölf Euro Gewinn – der Spieltrieb ist geweckt. Es ist Mittwoch, 11.30 Uhr. In Wien strahlt die Sonne vom Himmel. Doch im Automaten-Casino merkt man davon nichts. Betritt man die schummrige Lobby des Admiral-Casinos im Prater, ist man sofort umhüllt vom hysterischem und zeitgleich monotonen Piepsen der Spielautomaten. Alle sitzen stoisch vor den bunten Bildschirmen, warten auf das erlösende Geräusch von klirrendem Kleingeld.
Als der KURIER sich in der Spielhölle umsieht, fällt sofort ein junger Mann auf, der an vier Automaten gleichzeitig zockt. In ein Gespräch lässt er sich nur am Rande verwickeln. Er gibt lethargische Antworten ohne je den Blick von den bunten Symbolen zu lösen. "Ich spiele nicht so oft", erklärt er. "Höchstens zwei oder drei Mal die Woche." Seine Identität will er nicht preisgeben. Obwohl er betont, dass er zwar nicht süchtig sei, schwingt das schlechte Gewissen in seinen Worten mit. Auf die Frage, ob er oft gewinnt, schüttelt er mit einem schuldbewussten Lächeln den Kopf: "Das Casino gewinnt immer", sagt er, während er wie in Trance immer weiter auf die Knöpfe drückt.
Obwohl es eine ungewöhnliche Tageszeit für einen Casinobesuch ist, sitzen mindestens 100 Menschen vor den 430 Automaten. Man braucht sich nicht ausweisen, muss auch kein Geld in Spieljetons umwechseln. Man geht einfach hinein, setzt sich vor ein Gerät und steckt das Bargeld in den Schlitz. Sogar 500 Euro-Scheine werden angenommen.
Viel verloren
Eine junge Kellnerin nähert sich und bietet etwas zu trinken an. "Keine Sorge, unsere Spieler trinken hier gratis", lächelt sie. Aber gratis ist hier gar nichts. Der Automat zeigt ein Restbudget von 30 Euro an. Innerhalb von knapp zwei Minuten ist das ganze Geld weg. "Das gewinnen Sie schon noch zurück", beschwichtigt eine ältere Dame, die nebenan sitzt. Ihre Gehhilfe hat sie in der Ecke geparkt. Auch sie versucht ihr Glück an zwei Automaten gleichzeitig und hat 86 Euro auf ihrer Gewinn-Anzeige. "Was soll ich denn sonst mit meiner Pension machen?", scherzt sie zynisch. Obwohl alle Besucher stillschweigend so tun, als wäre es die normalste Sache der Welt, sich im Casino zu amüsieren, werfen sich die Spieler die Blicke von Leidensgenossen zu. Es ist ihnen peinlich, auf das Spielen angesprochen zu werden. Zu viel haben sie schon verloren – Geld und oft auch Familie und Freunde.
Eine aktuelle Studie der Suchthilfe Wien belegt, dass jeder Spielsüchtige sieben Personen in seinem Umfeld mit in die Tiefe zieht. Sei es finanziell oder emotional. Trotzdem gestehen sich die Meisten ihre Sucht erst dann ein, wenn der Schuldenberg nicht mehr zu ignorieren ist. Über 1000 Menschen wenden sich jedes Jahr an die Suchthilfe. "Rund 40 Prozent unserer Klienten beginnen unter 18 Jahren mit dem Spielen", erklärt die Suchthilfe-Leiterin Izabela Horodecki.
Admiral-Casino bleibt
Die Admiral-Spielstätte als Casino zu bezeichnen, sei eigentlich falsch, erklärt die Expertin. Obwohl in dicken Lettern "Casino" über dem Eingang steht, handelt es sich eigentlich um eine Spielhalle – also um sogenanntes kleines Glücksspiel. Und mit dem Charme eines echten Casinos hat die Automaten-Spielstätte so gar nichts gemein. Noch – denn erst am Freitag entschied das Finanzministerium, dass das Admiral-Casino im Prater eine Casino-Konzession bekommt.
Wie sehr sich der Betrieb dadurch ändern wird, ist fraglich. Die eingefleischten Zocker werden aber wohl weiterhin in das Casino in der Perspektivstraße kommen. Doch so manche Perspektive endet hier wohl in einer Sackgasse.
Die meisten Spieler geben an, dass bei Automaten die größte Suchtgefahr besteht.
An zweiter Stelle folgt seit einigen Jahren das anonyme Zocken im Internet.
1000 Spieler wenden sich jedes Jahr allein in Wien an die Spielsuchthilfe.
71,6% sind Männer, die im Jugendalter mit dem Spielen begonnen haben.
13 Mal im Monat versuchen die Spielsüchtigen durchschnittlich ihr Glück.
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