Proteste gegen die "Pfarre Neu"
Auf Papst Franziskus berufen sie sich alle: Jene, die die Diözesan-Reform unter dem Schlagwort "Pfarre Neu" betreiben – und jene, die sie bekämpfen. "Die Pfarre ist keine hinfällige Struktur", betonte das populäre Kirchenoberhaupt in seiner ersten Enzyklika Evangelii Gaudium. Aber eben auch, dass "sie ganz verschiedene Formen annehmen" kann. Das lässt Spielraum.
"Ich kämpfe nicht gegen den Kardinal, sondern für meine Pfarre", erklärt Priester Andreas Hornig aus Oberwaltersdorf im Bezirk Baden. "Wer den Menschen die Pfarre nimmt, nimmt ihnen die Heimat." Gemeinsam mit seinem Pfarrgemeinderat hat Hornig eine Resolution an die Erzdiözese verfasst. Tenor: Zusammenarbeit zwischen den Pfarren und gegenseitige Nachbarschaftshilfe, wie von oben gewünscht sind o.k.. Aber, wie es in der Resolution heißt: "Was wir aus tiefster Überzeugung ablehnen ist, in eine Großkommune zwangsumgesiedelt zu werden."
"Struktur der 50er"
In der Theorie klingen die Reformpläne der Erzdiözese einleuchtend: Mehrere Teilgemeinden bilden eine gemeinsame Pfarre, die Verwaltung wird straffer, die Priester ehemals eigenständiger Kleinpfarren kümmern sich in der neuen, größeren im Team um die Seelsorge. "Entsprechend ihren Talenten", erklärt Diözesansprecher Michael Prüller, "die aktuelle Struktur ist aus den 50ern, die Leute waren damals viel weniger mobil." Die Zahl der Kirchen, in denen Gottesdienste stattfinden, soll jedoch nicht schrumpfen.
Erste Erfahrungen in der Praxis sammelt man derzeit in Wien. In Favoriten konnte Erzbischof Christoph Kardinal Schönborn Anfang Juni den ersten Zusammenschluss mehrerer Pfarren feiern – im September soll ebenfalls im zehnten Bezirk die nächste "Pfarre Neu" entstehen, weitere Zusammenschlüsse sind im Stadtvikariat in Vorbereitung. In den niederösterreichischen Gebieten der Erzdiözese, im Wesentlichen im Wein- und im Industrieviertel, mehrt sich aber der Widerstand.
In Kottingbrunn und Schönau/Triesting laufen etwa Online-Umfragen, die mit der Frage "Machen auch Sie sich Sorgen um den Fortbestand unserer Pfarre?" beginnen. Die Pfarrerinitiative sieht den Prozess "äußert problematisch" (siehe unten). Menschen, die seit Jahrzehnten in den Pfarren aktiv sind, sprechen hinter vorgehaltener Hand davon, aus der Kirche auszutreten.
Insgesamt leben 1,25 Millionen Katholiken in den rund 650 Pfarren der Erzdiözese. Wie unterschiedlich diese sind, zeigt der Blick auf ihre Größe: 12.000 Menschen zählt die Pfarre Aspern in Wien laut Erzdiözese, knapp über 90 die Pfarre Grafensulz im Weinviertel.
Kernklientel
"Eine Umsetzung der Reform wäre eine Katastrophe. Den Leuten würde einfach der Bezug genommen, das Engagement würde weniger werden", meint Hornig. Probleme sieht er speziell in der Betreuung einer kirchlichen Kernklientel. "Wir haben in Oberwaltersdorf jeden Tag Gottesdienste, an denen acht, neun ältere Menschen teilnehmen. Die Pläne gehen zulasten der Schwächsten."
In Wien nimmt man die Kritik ernst, sieht das aber anders: "Wir erhoffen uns sogar freiwerdende Ressourcen für die Seelsorge", erklärt Prüller; "wir denken, dass viele Leute noch auf den Geschmack kommen."
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