Zugangsbeschränkungen: "Nicht akzeptabel" oder "ein notwendiges Übel"?

Zugangsbeschränkungen: "Nicht akzeptabel" oder "ein notwendiges Übel"?
Auf zehn Interessierte kommt nur ein Platz.

Stundenlang Zahlenreihen üben, medizinische Begriffe einprägen, naturwissenschaftliche Grundlagen verankern. Ein Monat lang, jeden Tag. So sah Julia Wunschs Vorbereitung auf den Medizin-Aufnahmetest vor vier Jahren aus. Sie hat es damals auf Anhieb geschafft und ist nun mitten im Studium.

Vielen anderen gelingt das nicht. Denn auf 1620 neue Medizin-Studienplätze, die es jährlich in Österreich gibt, kommen mehr als zehntausend Interessierte. Vergangene Woche, als der Test für das Wintersemester 2017/18 durchgeführt wurde, waren es knapp 13.000. Auf zehn Kandidaten kommt somit nur ein Platz.

Für Julia Wunsch, mittlerweile Vorsitzende der ÖH Med Wien, ist das nicht akzeptabel. "Es ist einfach keine faire Lösung, wenn die Leistung von einem Tag über dein Berufsleben entscheiden kann." Doch was wäre die Alternative? "Im Idealfall? Mehr Budget für die Unis, damit es mehr Plätze gibt", meint Wunsch.

Anita Rieder, Vizerektorin der MedUni Wien, weist jedoch darauf hin, dass die Studienplatzzahl hierzulande bereits hoch ist: "Österreich hat eine deutlich höhere Anzahl von Studienplätzen als die größenmäßig vergleichbare Schweiz – auch nach deren Aufstockung der Studienplätze. "

Zugangsbeschränkungen: "Nicht akzeptabel" oder "ein notwendiges Übel"?

Herausfiltern

An dem Angebot wird sich in nächster Zeit also nicht allzu viel ändern. Und wie soll der Zugang bei der so begehrten Studienrichtung sonst gehandhabt werden? Wie sehen das andere Studierende?

Auch die heutige 25-jährige Lisa Pfligl, die ihr Medizinstudium im Frühjahr abgeschlossen hat, war vom Test nicht begeistert. Dennoch hält sie ihn für notwendig: "Irgendein Auswahlverfahren muss es geben. Und mir ist so einen Test lieber, als das Numerus clausus System in Deutschland."

Auch die 22-jährige Theresa Pohler, die heuer ihr fünftes Studienjahr abgeschlossen hat, sieht keine Alternative. Sie war im letzten Jahrgang, der den alten Medizinertest bekam, als es noch mehr Knobelaufgaben gab, dafür kein Basiswissen abgeprüft würde. Auch sie hat den Test auf Anhieb geschafft. "Er ist sicher nicht perfekt", sagt Theresa Pohler. "Ich glaube, es geht aber mehr darum, jene Leute herauszufiltern, die nicht die Zeit fürs Vorbereiten investieren wollten."

Dass ein Herausfiltern notwendig ist, bestätigt Rieder. "Früher haben zwischen 50 und 70 Prozent der Studierenden ihr Studium nie abgeschlossen", sagt die Vizerektorin. "Das hat viele Ressourcen verbraucht und dem Gesundheitssystem nichts gebracht. Vor den Zugangsbeschränkungen hat die durchschnittliche Studiendauer 22 Semester betragen. Heute haben wir eine Abschlussquote von bis zu 90 Prozent und das im Schnitt in 13 Semestern."

Dazu passt der Satz, den ein Universitätsprofessor vor fünf Jahren an die Erstsemestrigen richtete, unter denen damals Theresa Pohler war: "Ihr könnt euch jetzt schon gratulieren. Ihr habt den Aufnahmetest geschafft. Die Wahrscheinlichkeit, dass ihr das Studium jetzt nicht mehr schafft, ist äußerst gering."

Viel Zeit, hohe Kosten

Die Studierendenvertretungen kritisieren den Test aber auch für seinen Kostenaufwand. Die Testgebühr beträgt 110 Euro. Zusätzlich buchen viele einen Vorbereitungskurs (weitere 600 bis zu 2400 Euro). "Die Interessierten müssen eine massive Geld- und Zeitressource aufbringen. Das ist nicht akzeptabel", sagt Katharina Embacher, Bundesvorsitzende der VSStÖ.

Leider sei die Testgebühr notwendig, meint Rieder, weil sonst viele, die sich anmelden, nicht erschienen. "Und es macht einen organisatorischen und finanziellen Unterschied, ob man sich auf 3000 oder 8000 Kandidaten vorbereiten muss."

Dass der Kostenaufwand Studierende aus ärmeren, bildungsfernen Schichten benachteiligt, widerlegt eine aktuelle Vollerhebung aller 8030 Studienwerber der MedUni Wien. Dabei hat sich gezeigt: Ein Drittel kommt aus einer Familie, in der beide Eltern einen Hochschulabschluss haben, ein Drittel besitzt mittlere Bildung, und ein Drittel weist einen geringeren Bildungsstandard im familiären Hintergrund auf.

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