Zu wenig Therapien für Gewalttäter

Die Zahl der Wegweisungen nimmt zu.
Initiative will Projekt, das mit aggressiven Männern arbeitet, gesetzlich verankern lassen.

Eine 33-jährige Frau und ihre beiden vier und sieben Jahre alten Töchter mussten am Samstag in Hohenems sterben, weil sie ihrem Ehemann und Vater die Tür geöffnet hatten. Für den 38-Jährigen gab es ein Betretungsverbot für das gemeinsame Zuhause, er war zuvor von der Polizei weggewiesen worden. Der Mann tötete seine Familie und nahm sich später selbst das Leben.

Die Zahl von Wegweisungen steigt seit Jahren kontinuierlich an. Dass sich Frauen in gewalttätigen Beziehungen ihren Partnern erneut annähern, kommt aber ebenso häufig vor. Katja Russo, Psychotherapeutin bei "Frauen beraten Frauen", erklärt den Grund dafür: "Die Beweggründe sind zwar von Fall zu Fall individuell, trotzdem liegt es oft daran, dass noch Gefühle für den Partner da sind. Es gibt eine Bindung. Oft haben Frauen Mitleid oder die Männer zeigen sich plötzlich von ihrer besten Seite." Außerdem seien gemeinsame Kinder ein Grund, mit dem gewalttätigen Partner in Kontakt zu bleiben.

Die Expertin kritisiert den Umgang mit den Tätern. "Es gibt viel zu wenige Therapiemöglichkeiten, sowohl für die Opfer als auch für die Täter. Das Thema muss in die Öffentlichkeit getragen werden", sagt Russo.

Eine entsprechende Initiative wird seit 2011 in Vorarlberg vom Institut für Sozialdienste (ifs) in Zusammenarbeit mit der Polizei mit Erfolg praktiziert. Die Initiatoren wollen die Vorgehensweise nun auch im Gesetz verankern lassen.

Therapie für Täter

Während die Daten von Opfern automatisch an Schutzzentren und Hilfsorganisationen weitergeleitet werden, sehen sich die Gefährder plötzlich in einer Situation, die Aggressionen noch verstärken kann.

"Gerade in den ersten 72 Stunden nach der Tat ist es wichtig, den Täter damit zu konfrontieren", sagt Arno Dalpra, Leiter der Gewaltberatung beim ifs. Daher fragt die Vorarlberger Polizei seit sechs Jahren nach jeder Wegweisung die Täter, ob sie mit der Weitergabe ihrer Daten einverstanden sind. Die Hälfte der Gefährder sagt ja. Daraufhin meldet sich die Gewaltberatung bei den Tätern. 32 Prozent besuchen Therapiegespräche.

"Wenn es zu einer Wegweisung kommt, ist das plötzlich eine hocheskalierende Situation sowohl für das Opfer als auch den Täter. Wird er nicht schnellstmöglich therapiert, bleibt die Person meist gefährlich, denn dann beginnen Verdrängungsmechanismen", sagt Dalpra. Der Initiator versucht seit Jahren, das Konzept gesetzlich verankern zu lassen – bisher ohne Erfolg: "Wir haben es Parlamentsabgeordneten vorgelegt und Rückmeldungen bekommen. Durch die Neuwahlen wurde das Thema aber verworfen. Das Problem ist, dass man dafür Geld in die Hand nehmen muss, um Therapieplätze zu finanzieren", sagt Dalpra.

Projekt der Ministerin

Investiert wird seitens des Frauenministeriums unterdessen in einem andern Bereich. Am Dienstag präsentierte Gesundheits- und Frauenministerin Pamela Rendi-Wagner (SPÖ) ein neues Gewaltschutz-Projekt, das Ärzte und Krankenpfleger schulen soll. "Einer der Gründe, warum Frauen so lange in Gewaltbeziehungen bleiben, ist, weil sie oft nicht wissen, wohin sie sich wenden sollen", sagte die Ministerin.

Gemeinsam mit Experten wurden Lehrinhalte für Universitäten und Fachhochschulen entwickelt, um das Gesundheitspersonal in der Ausbildung für das Thema Gewaltschutz zu sensibilisieren. Dabei soll es um das Erkennen von Gewalt, professionelle Hilfestellungen und den Umgang mit Aggression im Arbeitsbereich gehen. Psychotherapeut Dalpra hofft, dass die Ministerin nach der Nationalratswahl auch das Konzept aus Vorarlberg umsetzen wird.

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