Auch die Namen der Beamten des Bundeskriminalamts, die dafür zuständig sind, müssen geheim bleiben. Selbst ihre Zeugen kennen sie nur unter Tarnnamen. Mit breitschultrigen Actionhelden haben die Beamten allerdings nichts gemeinsam. „Wir versuchen, die Leute mit Hirn, nicht mit Muskeln zu schützen“, sagt Zeugenschützer X.
Das Klientel ist selten von der harmlosen Sorte. Es sind Menschen, die selbst Teil der Organisierten Kriminalität waren. Oder in der Terrorismus-Szene. „Wir beschützen die Bösen“, beschreibt X. „Aber wir bieten ihnen die Chance, vom Saulus zum Paulus zu werden.“
Nur durch ihre Aussagen gelingt es, kriminelle Organisationen zu zerstören und an die „großen Fische“ heranzukommen. Was nicht bedeutet, dass die Zeugen straffrei ausgehen. „Manchmal beginnt der Zeugenschutz in Haft“, erzählt X.
Eignungstest
Wer in den Zeugenschutz will, muss eine Art Eignungstest absolvieren, psychologische Begutachtung inklusive. Eine wesentliche Rolle spielt die Gefährdungsanalyse.
Wer sich dazu entscheidet, macht einen gewaltigen Schritt. Denn mit dem Zeugenschutz ist auch die eigene Identität Vergangenheit. Gleichzeitig die der engsten Familie.
In einem ersten Schritt werden die Personen in Safe Houses, also verdeckt angemietete Wohnungen umgesiedelt. Dann wird eine neue Identität kreiert. Erster Schritt: Ein neuer Name. „Den können die Personen in Absprache mit uns selbst aussuchen.“ Neue Ausweise werden angefordert, ein neues Leben geplant. Nicht selten im Ausland. Und nie in einem abgelegenen Nest, wie im eingangs erwähnten Film. „Einen Baum versteckt man am besten im Wald.“
Zum neuen Leben gehört eine neue Vergangenheit. Also: Woher man stammt, welchen familiären Hintergrund man hat. „Wir bleiben dabei möglichst nah an der Realität und trainieren die Antworten mit den Zeugen.“
Alte Kontakte gibt es ab dem Zeitpunkt nicht mehr. „Kontakt zu Angehörigen ist dann nur noch über uns möglich“, erklärt X.
Auch das Äußere wird – manchmal – verändert. Bartwuchs, Frisur und neue Haarfarbe fallen ebenso darunter wie die Entfernung von verräterischen Tätowierungen.
Rundum-Betreuung
Mithilfe der Zeugenschützer wird aber auch ein neuer – legaler – Job gesucht, eine Ausbildung begonnen, Behördenwege werden erledigt. „Wir sind IT-Experten, Psychologen, Sozialarbeiter, Lebens-, Schulden- und Eheberater“ lacht X., denn: „Jedes ungelöste Problem kann zur Enttarnung führen.“
Noch nie sei eine Person im Zeugenschutz ausfindig gemacht worden, betont man stolz. Wohl aber kam es vor, dass Zeugen aus dem Programm entfernt wurden. „Wir legen klar fest, was die Personen dürfen und was nicht. Bei der ersten Verfehlung gibt es eine mündliche Verwarnung, dann eine schriftliche und schließlich die Entlassung.“
Das größte Problem für die Zeugenschützer? „Das Internet.“ Denn es vergisst nicht.
Wie viel das Zeugenschutzprogramm kostet, ist Geheimsache. Doch immerhin so viel: Der durchschnittliche Verbleib im Programm dauert fünf Jahre.
„Der Zeugenschutz ist ein wesentlicher Eckstein für die umfassende und nachhaltige Bekämpfung der Organisierten Kriminalität“, sagt Innenminister Gerhard Karner (ÖVP). "Bereits seit 25 Jahren leisten die Zeugenschützerinnen und Zeugenschützer in Österreich hervorragende Arbeit und schützen, vor den Augen der Öffentlichkeit verteckt, tagtäglich Menschenleben", so Andreas Holzer, Direktor des Bundeskriminalamtes.
Bekannte Fälle
In den seltensten Fällen wird der Einsatz solcher Zeugen in der Öffentlichkeit bekannt. Heftig umstritten war er bei der „Operation Spring“ im Jahr 1999, bei der 127 mutmaßliche Drogenhändler festgenommen wurden. Bei den Gerichtsverhandlungen traten die Zeugen mit Motorradhelmen und Strümpfen über dem Kopf auf.
Aber auch rund um den Mord am ehemaligen polnischen Sportminister Jacek Debski kam Zeugenschutz zum Einsatz – der Mordauftrag kam übrigens aus Gramatneusiedl. Bei großen Verfahren gegen IS-Kämpfer und -Prediger spielten Aussagen eines Mannes im Zeugenschutz eine wichtige Rolle.
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