Weniger schwitzen, mehr sitzen

Weniger schwitzen, mehr sitzen
Alternative zur Ersatzfreiheitsstrafe stagniert, neuer Versuch bei Verwaltungsstrafen.

"Schwitzen statt Sitzen" lautete das Motto, mit dem das Justizministerium 2007 ein Projekt startete: Ersatzfreiheitsstrafen für nicht einbringliche Geldstrafen können seit damals mit gemeinnützigen Leistungen verbüßt werden.

28.835-mal hat der Bewährungshilfe-Verein Neustart solche vom Gericht zugewiesene Fälle betreut. Wie den 21-jährigen Dachdecker aus der Steiermark, der 140 Stunden in einer Einrichtung für Schwerbehinderte ableistete, statt 35 Tage im Gefängnis zu sitzen. Er war an einer Schlägerei beteiligt gewesen und konnte Geldstrafe samt Gerichtskosten nicht zahlen. Bei der Lebenshilfe in Feldbach bekochte er die Behinderten, ging mit ihnen spazieren und lernte, "wie liebevoll und dankbar die sind, wie sie sich freuen können."

"Strafe muss Sinn machen", sagt Neustart-Sprecher Andreas Zembaty. Aber obwohl der Sozialdienst ein Erfolgsmodell ist, wird er immer seltener praktiziert. Die bundesweite Zahl sank um ein Viertel, von 3956 Zuweisungen an Neustart im Jahr 2014 auf 3102 im Vorjahr.

Das hängt auch damit zusammen, dass die Richter weniger Geldstrafen und dafür mehr (bedingte) Haftstrafen verhängen. "Sitzen statt Schwitzen" scheint die Devise zu lauten (oder zumindest die Androhung des Sitzens): Die Zahl der Geldstrafen betrug 2011 noch 12.763, 2015 waren es nur noch 10.202. Wobei vor allem die Bezirksgerichte seltener auf den Geldbeutel der Verurteilten und offenbar mehr auf ihre Freiheit zugreifen.

Seit 2013 dürfen auch Steuersünder die Geldstrafen der Finanzbehörden mit gemeinnützigen Leistungen abdienen, wenn sie nicht zahlen können. Im Vorjahr waren das 662 Personen. Was noch fehlt, sind die Verwaltungsstrafen: Wer seine Strafe wegen Falschparkens, Lärmerregung oder Missachtung der Sperrstunde nicht aufbringen kann, muss sie nach wie vor in Ersatzhaft absitzen. Rund 7000 Österreicher dunsten pro Jahr deshalb hinter Gittern. Sozialdienst ist in diesen Fällen nicht vorgesehen.

Der grüne Justizsprecher Albert Steinhauser findet das "absurd, dass es für Gerichtsstrafen als Alternative gemeinnützigen Leistungen gibt, aber für Parkstrafen nicht". Er hat einen Entschließungsantrag im Parlament eingebracht, das Gesetz zu ändern.

Jobverlust

"Kurze Gefängnisstrafen sind immer schlecht", sagt Steinhauser, und zwar egal, ob sie in einer Justizanstalt oder in einem Polizeilichen Anhaltezentrum verbüßt werden müssen. Dem Betroffenen droht der Jobverlust, und der Staat hat die Haftkosten (rund 110 Euro pro Tag) zu tragen. 2015 konnten durch die gemeinnützigen Leistungen – die man auch gestaffelt, nach der Arbeit oder im Urlaub absolvieren kann – 66.128 Hafttage eingespart werden.

Nun konnte Steinhauser Kanzleramtsminister Josef Ostermayer (SPÖ) für den Plan gewinnen, auch bei Verwaltungsstrafen die Möglichkeit des Sozialdienstes einzuführen. Ostermayer will mit den Bundesländern reden, die mitziehen müssten. Denn die meisten Verwaltungsstrafen werden von Bezirkshauptmannschaften und Magistraten ausgesprochen.

Steinhauser ist "optimistisch, dass sich da etwas bewegt". Derzeit gibt es 1000 Einrichtungen (von Müllentsorgung bei Gemeinden bis Reinigungsarbeiten bei der Rettung), in denen die gemeinnützige Arbeit geleistet werden kann; diese müssten aufgestockt werden.

Da hat jemand einem anderen die Nase blutig geschlagen. Der Richter will ihn nicht gleich hinter Gitter schicken, er verurteilt ihn zu einer Geldstrafe. Der Schläger kann nicht zahlen, nun droht doch noch das Gefängnis. Ausweg: Die Ersatzfreiheitsstrafe darf mit gemeinnützigen Leistungen abgedient werden. Die kann man auch gestaffelt absolvieren. Der Schläger muss zum Beispiel bei der Rettung die Fahrzeuge reinigen, mit denen täglich Verletzte transportiert werden. Das ist ein Lerneffekt, reißt den Verurteilten nicht aus seinem sozialen Umfeld und kostet darüber hinaus keine teuren Hafttage.

Da hat jemand ein paar tausend Euro Parkstrafen gesammelt, weil er mit seinem Wagen häufig an verbotener Stelle steht. Er kann nicht zahlen und wandert für mehrere Wochen in den Polizeiarrest. Kein Ausweg: Verwaltungsstrafen können von Gesetz wegen nicht mit gemeinnützigen Leistungen abgedient werden. Der Falschparker verliert womöglich seinen Job und dunstet sinnlos im Gemeindekotter.

Kost und Logis

Die Relation zwischen körperlich spürbaren Strafdelikten und bloßen Verwaltungsübertretungen auf der einen und den möglichen Sanktionen auf der anderen Seite könnte nicht unausgewogener sein. Seit Jahren schon wird versucht, das zu ändern. Bisher vergeblich.

An der Sorge, eine Einnahmequelle zu verlieren, kann es nicht liegen. Denn wer sich die Geldstrafe leisten kann, muss sie ohnehin zahlen. Und der, bei dem sie uneinbringlich ist, kostet im Polizeiarrest auch noch Essen und Logis.

Jetzt gibt es einen neuen Vorstoß. Die Bundesländer müssten mitziehen, aber das Problem besteht auch bei den regional unterschiedlichen Jugendschutz-Bestimmungen, bei den Regeln für die Hundehaltung...

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