Wo Weinreben wachsen und Enzian blüht: Weinbau in Tirol und Kärnten
Peter Zoller erging es wie vielen Pionieren: Bis sich der Erfolg einstellt, erntet man zunächst mal Kopfschütteln und wird als Spinner abgetan. Der Tiroler hat Verständnis für die anfängliche Skepsis. „Das hat ja niemand gemacht.“
Das, was vor dem heute 67-Jährigen in Tirol keiner gemacht hat, ist Wein. Zumindest 150 Jahre lang nicht mehr. Die lange Anbaupause ist den lange zu kalten klimatischen Verhältnissen geschuldet, die sich in den vergangenen 20 Jahren in dem alpinen Bundesland zu Gunsten der Reben gedreht haben.
„Der Klimawandel kommt uns diesbezüglich zugute. Den ersten Wein habe ich 2000 gemacht. Inzwischen ist die Blüte fast 14 Tage früher als damals. Der Wein hat eine ganz andere Reife und viel mehr Zucker“, erzählt Zoller.
Kleinwinzer mit Liebe
Auf der Negativseite steht allerdings, dass „die Wetterkapriolen zugenommen haben“, so der Weinbau-Pionier, der die Trauben in Haiming im Tiroler Oberland am Fuße des Tschirgant wachsen lässt. Der von ihm 2011 gegründete „Tiroler Weinbauverband“ feiert heuer sein zehnjähriges Jubiläum. Mit elf Mitgliedern hat es begonnen, heute sind es 76.
Wein aus Österreich ist zunehmend in Deutschland gefragt. 330.000 Hektoliter wurden im Vorjahr zum Nachbarn exportiert. Tirol spielt dabei allerdings keine Rolle. „Bei uns sind fast alles Kleinwinzer, die das aber mit viel Liebe machen“, sagt der Tiroler, der gemeinsam mit seiner Frau auf 1,7 Hektar vor allem Chardonnay anbaut.
Mit dem Ehepaar Alexandra und Georg Flür in Tarrenz gibt es in Tirol seit drei Jahren die ersten Vollerwerbswinzer. Die höchste Lage befindet sich auf 1.000 Metern. Ausreichend Sonne lässt selbst in diesen Höhen Trauben ausreifen.
Produziert werden Qualitätsweine. Und wie Zoller stolz erzählt, „kommen bei uns inzwischen Burgenländer und Niederösterreicher in ihrem Urlaub vorbei und kaufen Wein für daheim.“
Höchster Weinberg
Wer Ernestine Berger treffen will, der muss vor allem eines sein: geländegängig. Denn die 64-Jährige nennt Kärntens höchstgelegenen Weinberg auf 880 Höhenmetern in der Gemeinde Flattach im Mölltal, ihr Eigen. Seit 2012 wachsen hier auf steilen Hängen Rebstöcke der Sorte Regent, Zweigelt, Merlot und Rösler.
Berger, die sich und ihre Weine grafenBERGERin nennt, war dabei eine Spätberufene. „Ich war Diplomkrankenschwester und habe erst mit 56 Jahren mit der Winzerei begonnen“, erzählt die Frau, die eine echte One-Woman-Show ist: Egal ob Schneiden oder Lesen bis hin zum Abfüllen der fertigen Weine, alles wird in Handarbeit von Berger erledigt. Dass an den Kärntner Wein keine Chemie kommt, versteht sich da fast von selbst.
Bis es allerdings so weit war, zogen einige Jahre für die Genehmigung von Zufahrtswegen, die Errichtung der Terrassierung und der Einzäunungen ins Land. „Der Anfang war nicht leicht. Ich habe mein ganzes Berufsleben in Innenräumen verbracht. Da muss man erst einmal den Umgang mit der Natur lernen. Dass es Hirsche gibt, die einem alles wegfressen. Aber da wächst man rein“, lacht die Winzerin.
Frau im Weinberg
Zum Vergleich: Die Kärntner Weinproduktion beläuft sich pro Jahr auf ca. 450.000 Liter Wein. Die gut 2.000 Rebstöcke der Winzerin im Mölltal würden rund 1.500 Liter Wein jährlich abwerfen. „Aber das ist von Jahr zu Jahr verschieden. „2019 nach den schweren Unwettern, hat es mir ein Drittel des Weinbergs runtergeschwemmt. In einem Jahr haben die Wespen alles weggefressen, heuer war es sehr feucht.“
Warum sie trotzdem weiter macht? „Weil ein Weinstock etwas ganz Besonderes ist. Man kann sich immer wieder neue Dinge einfallen lassen und beim Weintrinken kommt man auf die besten Ideen“, erzählt Berger. Die Vorstellung einer Winzerin sei im Tal zunächst nicht bei jedem auf Begeisterung gestoßen. „Mittlerweile rufen mich aber auch die Einheimischen an, wenn sie um 20 Uhr noch ein gutes Flascherl Wein haben wollen“, sagt Berger.
Wie lange sie noch im Weinberg stehen will, darauf gibt es eine klare Antwort: „Ein guter Weinstock braucht 20 Jahre bis er erwachsen ist. Also muss ich noch zehn Jahre durchhalten.“
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