Weichenstellung: Graz holt die S-Bahn ins Zentrum
Nach langen Debatten ist der Entschluss gefallen, die rot-grün-rote Koalition im Rathaus legte sich fest, in welcher Form der öffentliche Verkehr in Graz ausgebaut wird: Die steirische Landeshauptstadt soll einen S-Bahn-Tunnel vom Hauptbahnhof durch die Innenstadt bis zum Ostbahnhof bekommen.
Damit wird die Schnell-Bahn in das Zentrum geholt, bisher muss man weiter abseits vom Zug auf die Straßenbahn oder Busse umsteigen, um in die Innenstadt zu gelangen. Mit der S-Bahn-Strecke durch das Zentrum – zwischen Hauptplatz und Jakominiplatz wird es einen neuen Verkehrsknoten geben – soll dieses Umsteigen Geschichte sein. Und vor allem Pendler zum Verzicht auf den eigenen Pkw zugunsten der Öffis motivieren.
„Es ist eine Grundsatzentscheidung und eine Weichenstellung für die Zukunft des öffentlichen Verkehrs in Graz“, merkte Vizebürgermeisterin Judith Schwentner (Grüne) am Montag an und stellte somit klar: Detailplanung oder gar ein Datum für den Baubeginn gibt es noch nicht. Das dürfte auch eine Zeit lang so bleiben, erst müssen die Mitfinanzierung durch Land und Bund geklärt sowie eine Machbarkeitsstudie erstellt werden. Im Dezember ist der Gemeinderat am Zug, dort wird der Grundsatzbeschluss für diese Form des Ausbaus beschlossen.
Mehrere Planfälle
Seit 2020 arbeiteten Verkehrsexperten an jener Studie, die der Politik die Ausbau-Möglichkeiten aufzeigen sollte. Der Schweizer Verkehrsplaner Willi Hüsler sowie sein Grazer Kollege Peter König rechneten dabei mit jenen Daten, die 2040 zu erwarten sind, also Einwohnerzahl oder Beschäftigte in 18 Jahren. Dazu untersuchten sie in mehreren Planfällen die Auswirkung möglicher Maßnahmen, etwa die bloße Verdichtung der S-Bahn über die Stadtgrenzen hinweg oder der ausschließliche innerstädtische Ausbau der Straßenbahn. Die Tunnelvariante wurde in zwei Längen durchgerechnet, fünf oder elf Kilometer. Auch der von der früheren ÖVP-FPÖ-Regierung favorisierte U-Bahn-Bau wurde untersucht.
Fazit: Die Experten empfehlen Planfall 4 – Ausbau der S-Bahn, zusätzliche Haltestellen und den kurzen Tunnel. Parallel dazu soll auch der begonnene Straßenbahn-Ausbau fortgesetzt werden. Die Investitionskosten für diese Variante werden mit 3,1 Milliarden Euro beziffert.
Was der kurze Tunnel bringt
Ein kürzerer Tunnel samt Haltestellen auch in der Innenstadt soll laut Studie die Anzahl der (Pendler-)Fahrten über die Stadtgrenze massiv vom Auto auf die Öffis verschieben: Derzeit verzeichnet die S-Bahn 2.049 Kilometer pro Fahrgast im Jahr. Mit dem Tunnel sollen es 2.204 bis 3.918 Kilometer pro Person sein – eine Steigerung von 56 bis 91 Prozent, je nachdem, ob flankierende Maßnahmen zusätzlich kommen.
Das meint das Zurückdrängen des Kfz-Verkehrs bei gleichzeitigem Vorrang-Angebot der Öffis. Verkehrsplaner Hüsler nannte das „Push-und Pull-Maßnahmen“: „Das Wettrüsten zwischen motorisiertem Individualverkehr und dem öffentlichen Verkehr ist künftig nicht mehr möglich“, schätzte Hüsler ein, man müsse sich für eine Seite entscheiden.
770.000 Pkw-Fahrten werden derzeit in Graz registriert – pro Tag, rechnet Vizebürgermeisterin Schwentner vor. Die Hälfte von ihnen geht über die Stadtgrenze hinaus. Wie viele von ihnen mit dem S-Bahn-Ausbau auf Öffis umgeleitet werden können, ist Teil einer weiteren Studie, sie kommt vom Land Steiermark und ist derzeit in Arbeit.
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