Zehn bis 30 Prozent aller betroffenen Kinder sterben. Zwei Drittel der Babys überleben, leiden aber ihr Leben lang an Krampfanfällen, körperlichen und geistigen Behinderungen sowie Sehstörungen.
Geburtsdepressionen
Aber was kann auslösen, dass eine Mutter oder ein Vater ein wehrloses Baby schütteln, bis es – wie im aktuellen Fall – fast stirbt?„Schreien ist für uns Menschen grundsätzlich schwer auszuhalten. Man versucht alles, um das Geräusch zu unterbinden“, erklärt Christine Sonn-Rankl von der Schreiambulanz in der Klinik Ottakring. Im vergangenen Jahr wurden dort rund 750 Mütter betreut, die Unterstützung im Umgang mit ihrem Kind brauchten.
„Babys schreien besonders ab der zweiten Lebenswoche intensiv, weil sie ein Selbstregulierungsproblem haben“, sagt die Expertin. Zu Überforderung komme es dann häufig, wenn die Mutter selbst aus einem belasteten Umfeld komme. 15 bis 20 Prozent aller Mütter leiden an postpartaler Depression, also an einer psychischen Erkrankung, die viele Mütter nach der Geburt betrifft.
Schreibabys als Herausforderung
Besonders sogenannte Schreikinder stellen Eltern vor große Herausforderungen. Darunter versteht man Babys, die mehr als drei Wochen lang an drei Tagen pro Woche mehr als drei Stunden schreien.
„Diese Babys sind leicht irritierbar und fallen oft von einem Moment zum anderen in eine fast unberuhigbare Schreiattacke. Diese Kinder können außerdem nur schwer einschlafen“, so die Psychologin. Zwölf bis vierzehn Prozent aller Kinder sind davon betroffen.
In den ersten drei Lebensmonaten kann ein Schreibaby für Eltern zum wahren Albtraum werden. „Wenn man als Mutter alles versucht, um das Kind zu beruhigen, und es trotzdem weiter schreit, greifen einige in ihrer Verzweiflung in seltenen Fällen zu radikalen Maßnahmen“, so Sonn-Rankl.
Dass viele junge Mütter mit ihren Babys überfordert sind, sei auch illusionären Vorstellungen vieler Frauen geschuldet, ergänzt Claudia Reiner-Lawugger, Leiterin der Spezialambulanz für peripartale Psychiatrie. „Viele Jungmütter gehen davon aus, dass sie ihr Leben gleich weiterleben können wie vor dem Kind. Außerdem haben die wenigsten Erfahrungen mit Kindern. Das eigene Baby ist oftmals das erste, das sie in den Händen halten.“
„Aus Verzweiflung“
Bei der Polizei gab die Mutter mit philippinischen Wurzeln an, ihre Tochter „einmal aus Verzweiflung geschüttelt zu haben, weil diese ständig geweint habe“. Am Donnerstag sprach sie vor dem Haftrichter von einem Unfall.
„Die Frau erlitt einen Nervenzusammenbruch. In dem Fall ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Man muss auch die Vorerkrankungen des Babys berücksichtigen“, sagt die Anwältin der Mutter, Astrid Wagner, zum KURIER. Das Kind soll an einem veränderten Blutbild leiden. „Die Familie steht weiter hinter der Mutter“, so Wagner. Auch Hinweise auf Gewalt habe es keine gegeben.
Währenddessen betreuen die Ärzte im AKH das vier Monate alte Baby rund um die Uhr. Ob Hirnschäden zurückbleiben, ist noch unklar.
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