Vorstoß: Tempo 80 auf Landstraßen

267 Menschen starben im Vorjahr auf Landstraßen, Tempo 80 hätte bis zu 50 Leben retten können.
Nur in Österreich und Deutschland darf im Freiland noch mit 100 km/h gefahren werden.

Es ist das letzte große "heiße Eisen" der Verkehrssicherheit. Die österreichische Politik fürchtet sich vor diesem Thema so sehr, dass es bereits zwei Mal aus den Entwürfen des nationalen Verkehrssicherheitsprogrammes wieder herausgestrichen wurde. Dabei sind Landstraßen Todesfallen: 267 der 411 Verkehrsopfer des vergangenen Jahres verloren ihr Leben auf dieser Straßenart, ergab eine aktuelle Sonderauswertung der Statistik Austria für den KURIER. Zum Vergleich: Auf den Autobahnen ließen "nur" 32 Menschen ihr Leben.

Hauptursache für die vielen Toten auf den Landstraßen ist nicht angepasste Geschwindigkeit (64-mal). Insgesamt 18.000 Unfälle mit Verletzten gibt es hier pro Jahr. Mit Tempo 100 darf allerdings nur mehr in Österreich und Deutschland gefahren werden. Wobei bei unserem nördlichen Nachbarn zumindest die SPD für eine Senkung des Limits eintritt, ist es hierzulande still. "Das Tempolimit ist Ländersache und das bleibt auch so", heißt es im Büro von Verkehrsminister Alois Stöger.

Am Donnerstag diskutieren zahlreiche Experten in Wien über eine Senkung des Tempolimits. Basis ist ein Vorschlag von Professor Wolfgang Berger vom Institut für Verkehrswesen an der BOKU. "Mit Tempo 80 gäbe es pro Jahr bis zu 50 Tote und 300 Schwerverletzte weniger", meint Berger.

"Die meisten Menschen stellen sich unter einer Landstraße eine gerade, zweispurige Strecke vor. Aber das ist die Ausnahme", sagt der Experte. "Dabei kostet eine Senkung des Limits fast nichts und bringt enorm hohe Effektivität". Sein Vorschlag: Die Landstraßen mit 80 km/h begrenzen und nur dort 100 km/h erlauben, wo es sicher ist.

Kaum Zeitverlust

"Tatsächlich würde es weit weniger Auswirkungen haben als man glaubt", erklärt Berger. "Bei Tempo 100 liegt die tatsächlich gefahrene Durchschnittsgeschwindigkeit bei 87 km/h, bei Tempo 80 sind es 79 km/h." Tatsächlich wäre es also eine Absenkung um gerade einmal acht Stundenkilometer, die aber enorm viel Auswirkungen auf die Unfallschwere und Bremswege habe.

Seine Gegner sind die Automobilclubs. "Dafür gibt es keine Akzeptanz, die Leute halten sich nicht an Limits, die sie nicht verstehen", sagt ÖAMTC-Verkehrsexperte Martin Hoffer. Wichtige wäre es, kritische Stellen zu entschärfen und herunterzulimitieren. Das sieht auch ARBÖ-Chef Gerald Kuming so: "Die Länder sind gefragt, die Unfallhäufungspunkte herauszufinden und bekanntzugeben. Dort sind wir nicht gegen Tempo 80. Aber generell ist in der Straßenverkehrsordnung geregelt, dass man eine angepasste Geschwindigkeit fahren muss. Die ist ohnehin nicht überall gleich 100 km/h."

Tatsächlich haben die einzelnen Bundesländer weit mehr Handhabe bei den Geschwindigkeitsbegrenzungen als man annehmen mag. Mit dem StVO-Paragraf 43 kann die erlaubte Höchstgeschwindigkeit jederzeit erhöht werden. Dies nutzte seinerzeit etwa Verkehrsminister Hubert Gorbach für sein umstrittenes Tempo-160-Projekt. Die meisten Autobahnen sind für Geschwindigkeiten zwischen 180 und 200 km/h trassiert, sagt Hoffer. Auch dort gebe es sehr viel Spielraum.

Auf diesen Paragrafen beruft sich auch Bergers Vorschlag. So könne jederzeit an bestimmten Stellen die Geschwindigkeit nach oben gesetzt werden. "Bei langen Fahrten nutzt man ohnehin die Autobahn, Fahrten auf Landstraßen sind kürzer", betont Berger. Er will die Diskussion bewusst von einem niedrigeren Tempolimit auf Autobahnen trennen. Das habe den 80er bisher verhindert, weil viele gegen den 100er auf Autobahnen seien.

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