„Viele Eltern arbeiten mit einer schwarzen Pädagogik“

„Viele Eltern arbeiten mit einer schwarzen Pädagogik“
Grundrechte.Experten wie Kenan Güngör sehen kopftuchtragende Kinder kritisch, dennoch warnen sie vor den negativen Folgen eines Verbots

Ob und in welcher Form das Kopftuchverbot kommt, wird im Sommer entschieden. Noch gibt es eine Menge offener Fragen, etwa zur rechtlichen Situation.

Die Juristin und Feministin Brigitte Hornyik sieht im Kopftuchverbot an Kindergärten und Volksschulen eine Grundrechtsproblematik. „Das Verbot zielt auf das Kindeswohl ab, aber durch ein Verbot geraten diese Kinder in ein Spannungsverhältnis“, sagt Hornyik. „Einerseits wollen sie Kopftuch tragen, oder ihre Familie will es, und auf der anderen Seite steht dann in der Schule die Lehrerin und sagt, dass sie es abnehmen müssen.“ Weiters sieht die Juristin in dem Verbot eine Verletzung der Menschenrechte: „Die Kinder haben ein Recht auf Bildung und die Eltern haben das Recht darauf, dass ihre religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen in ihrer Erziehung und im Unterricht nicht angegriffen werden.“

Hornyik hält es für konstruktiver, das Gespräch mit den Mädchen und deren Eltern zu suchen. Denn ein Verbot würde jenen Mädchen, die tatsächlich zum Kopftuchtragen gezwungen werden, nicht helfen. „Die müssten dann zuhause bleiben“, so Hornyik. Viele muslimische Familien würden bei einem Verbot ihre Kinder wohl in eine private muslimische Schule schicken. Ob für private Schulen das Kopftuchverbot ebenfalls gilt, konnte im Ministerium noch niemand beantworten. Wenn die Regierung das Kopftuchverbot ausweitet, damit es nicht nur Muslime betrifft, so wie es beim Burka-Verbot der Fall war, ist das Problem für Hornyik nicht gelöst: „Das Burka-Verbot ist ein abschreckendes Beispiel für dieses Gleichheitsproblem. Es musste als Anti-Gesichtsverschleierungsverbot erweitert werden und jetzt haben wir so absurde Fälle, dass Maskottchen oder kranke Personen mit Mundschutz bestraft werden, weil sie gegen das Gesetz verstoßen.“

Konformitätsdruck

Der Soziologe Kenan Güngör spricht von einem Konformitätsdruck: Wenn das gesamte weibliche Umfeld Kopftuch trägt, falle es schwer, sich für eine andere Lebensweise zu entscheiden. Laut Güngör ist die Zahl der kopftuchtragenden Mädchen in Kindergärten und Volksschulen allerdings verschwindend klein. „Es gibt aber eine Tendenz der Zunahme“, sagt Güngör.

Er fordert das Verbot aller stark sichtbaren, dominanten Symbole in der Schule, darunter würden dann neben dem Kopftuch auch die Kippa oder ein groß angebrachtes Kreuz im Klassenzimmer fallen: „Ansonsten widerspricht das Verbot dem Gleichheitsgesetz.“ Güngör fragt sich zudem, was bei einem Kind freiwillig und was Zwang ist. Der Soziologe nennt ein Beispiel von einem jungen Mädchen, dem von ihren Eltern gesagt wurde, Mädchen würden für jede sichtbare Haarsträhne 100 Jahre in die Hölle kommen. „Viele Eltern arbeiten mit einer schwarzen Pädagogik und sagen den Kindern, „Wer kein Kopftuch trägt, ist ein unanständiges Mädchen und kommt nicht in den Himmel.“

Die ungekürzte Version dieser Reportage ist auf dasbiber.at und in der kommenden biber-Ausgabe nachzulesen.

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