"Radikal zu sein ist keine Straftat"
Nach jedem Anschlag in Europa heißt es mittlerweile: Der oder die Täter waren den Behörden bekannt. Derartige Analysen gehen auch am heimischen Verfassungsschutz nicht spurlos vorüber, wie dessen Chef Peter Gridling betont. Rund 140 Personen sind dem Innenministerium bekannt, die aus dem Dschihad zurückgekommen sind oder dessen Ausreise verhindert werden konnte. Doch das ist nicht alles. "Man muss zahlreiche Kontaktpersonen dazurechnen", erklärt Gridling. Die Familie, Freunde, Vereinskollegen, alle diese Personen können mitradikalisiert worden sein. Bei so einem Verdächtigenkreis "ist eine individuelle Überwachung nicht durchführbar".
Überwachung ein Glücksspiel?
Rund 20 Beamten benötigt man um eine Person lückenlos zu überwachen. Bei nur rund 1000 möglichen Zielpersonen wäre bereits de facto jeder Polizist in Österreich allein dafür im Einsatz. Man muss also die Ressourcen konzentrieren. Ein deutscher Verfassungsschützer meinte dazu kürzlich: "Es ist ein reines Glücksspiel, ob wir den richtigen erwischen". Auch Gridling sagt: "Das Risiko, dass man daneben liegt, ist groß. Ein Mitläufer kann sich in wenigen Tagen zu einem Haupttäter verwandeln". Denn: "Radikal zu sein ist keine Straftat." Allerdings sei der Weg zum Terroristen "dann gering".
Neue Dschihadisten
Zumindest in Österreich scheint es mit der Mobilisierung der Islamisten nicht mehr voran zu gehen, 13 Personen wurden laut Erkenntnissen des BVT im Vorjahr für den Dschihad motiviert. Zum Vergleich: In den Jahren zuvor waren es in Summe fast 300.
Konrad Kogler, Generaldirektor für öffentliche Sicherheit, nutzte die Präsentation des Verfassungsschutzberichtes am Mittwoch, um noch einmal die aktuellen Wünsche von Innenminister Wolfgang Sobotka zu erneuern: "Videozugriffe für die Polizei sind notwendig, das haben die Anschläge in London gezeigt. Wir benötigen gezielte Informationen, was passiert ist und wer gesucht wird." Auch Zugriff auf neuartige Kommunikationsmittel wie Whats App oder Skype möchte die Polizei unbedingt haben.
Extremismus nimmt zu
Neben dem Terror steigt auch der Extremismus – auf beiden Seiten. Die Zahl der rechtsextremen Straftatetn hat sich im vergangenen Jahrzehnt versechsfacht. Die linksextremen Delikte verdoppelten sich 2016 im Vergleich zum Jahr davor. Der Hauptgrund dafür ist die laut BVT die Präsidentschaftswahl und die Zunahme der Anzeigen wegen Verhetzung (in sozialen Medien) und Sachbeschädigung. "Härtere" Delikte wie Körperverletzungen sind nur marginal gestiegen.
Für heuer steht auch die Beobachtung von möglicher "Beeinflussung der Wahl durch Fake News oder dem Absaugen von Parteiinformationen" auf dem Plan, sagt Gridling. "Dem muss man sich wirklich widmen. Allerdings ist hier die Beweisführung schwierig bis unmöglich."
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