Urteilstag beim Linzer Jihadisten-Prozess

OBERÖSTERREICH: PROZESS GEGEN VIER MUTMASSLICHE JIHADISTEN
Mit dem Urteil im Prozess wegen staatsfeindlicher Vereinigung wird in den Abend- oder Nachtstunden gerechnet.

Der Linzer Jihadisten-Prozess, in dem drei Männer wegen des Verbrechens der staatsfeindlichen Verbindung auf der Anklagebank sitzen, ist am Freitag in die Zielgerade gegangen. Auf dem Programm dieses achten Verhandlungstages unter massiven Sicherheitsmaßnahmen standen die Plädoyers von Staatsanwalt und Verteidigern und die Beratung der Geschworenen über Unschuld oder Schuld der Angeklagten. Mit einem Urteil war in den Abend- oder Nachtstunden zu rechnen.

Nach dem Abschluss des Beweisverfahrens formulierte der aus drei Berufsrichtern bestehende Senat am Vormittag insgesamt neun Fragen an die Geschworenen. Anschließend folgten die Plädoyers von Anklage und Verteidigung. Vor der Beratung der Laienrichter erhielten diese eine Belehrung, die ihnen bei ihrer Entscheidung helfen sollte.

Das Verfahren ist eine Neuverhandlung nach einer teilweisen Aufhebung durch den Obersten Gerichtshof im Jahr 2020 von Urteilen in einem Grazer Prozess. Es wurde nach Linz delegiert, da die Angeklagten und Zeugen großteils von dort stammen.

Rekrutierung für den IS

Hauptbeschuldigter ist der Imam eines türkischen Glaubensvereines in Linz, dem vorgeworfen wird, junge Männer radikalisiert und als Kämpfer für die Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) angeworben zu haben. Mitangeklagt sind auch der Schriftführer sowie ein Vereinsmitglied. Der Obmann und der Kassier des Vereins sowie der Vermieter der Räumlichkeiten waren zuvor freigesprochen worden.

Den Männern wird wegen Beteiligung an einer staatsfeindlichen Vereinigung die Absicht vorgeworfen, die Unabhängigkeit der Republik Österreich und ihre in der Verfassung festgelegte Staatsform - Demokratie, die Trennung von Staat und Religion, das Rechtssystem, ihre Einrichtungen wie Bundespräsident, Parlament, Regierung, Gerichte und Bundesheer - durch einen nach radikal islamistischen Grundsätzen ausgerichteten totalitären Gottesstaat mit dem Rechtssystem der Scharia zu ersetzen.

Angeklagte bestreiten Vorwürfe

In der Verhandlung und in den Plädoyers bestritten die Angeklagten und ihre Verteidiger die Vorwürfe des Staatsanwaltes. Eine Reihe von Zeugen bestätigte, dass sie bezüglich der Anklage nie auffällig gewesen seien. Allerdings gab es auch belastende Aussagen unter anderem von verzweifelten Eltern, wonach der sehr redegewandte Prediger mit Unterstützung der beiden anderen Angeklagten junge Männer in Vorträgen, mit Datenträgern und persönlichen Gesprächen manipuliert habe.

Die umfangreichen Ermittlungen des Staatsschutzes seit 2013 unter Einsatz von Lauschangriffen, Abhören von Telefonaten, Auswertung von Mails und Computerdateien, Videoüberwachung und Observationen ergab Verbindungen zu anderen islamistischen Gruppierungen von Linz nach Graz und Wien sowie in Berlin und Bulgarien. Etliche Personen aus dem Umfeld dieser Gruppen seien als Gotteskrieger in den Jihad in Syrien gezogen, einige wurden dort verwundet oder getötet.

Einem - er kämpfte als Scharfschütze - sei auch ein Zielfernrohr geschickt worden. Der Verein sei zu einem Standort und Stützpunkt des Islamischen Staates und den damit verbundenen terroristischen Organisationen in Österreich geformt worden. Auch Gutachten eines Islam-Experten und eines für islamistischen Terror fielen kritisch zu den Angeklagten aus.

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