Urteil: Ein Tattoo nur mehr nach Test

Eine junge Kärntnerin ließ sich ein farbenfrohes Motiv stechen (Symbolbild).
Kundin klagte Tattoostudio und bekam Recht, obwohl Allergie zuvor unbekannt war. Berufsstand verunsichert.

Künstlerisches Talent und eine ruhige Hand zeichnen Tätowierer aus. Aktuell ist bei diesem Berufsstand allerdings Zittern angesagt, denn wenn ein erstinstanzliches Urteil vom Zivilgericht Graz Rechtskraft erlangt, wird die Berufsausübung komplizierter: Die Justiz entschied, dass ein Tätowierer eine Allergie berücksichtigen hätte müssen, von der die Kundin ursprünglich selbst nichts wusste. Und dass ein "Probestechen" erforderlich sei.

Das Urteil klingt skurril und hängt möglicherweise mit dem dramatischen Krankheitsverlauf der Kundin eines Tattoo-Studios in der Oststeiermark zusammen. Die junge Mutter aus Mittelkärnten entschied sich 2012 für ein Tattoo am rechten Unterschenkel. Es sollte ein farbiges Blumen-Ornament darstellen und den Vornamen sowie die Daten ihrer Tochter beinhalten.

Einverständnis

Die Frage, ob das Aufklärungsgespräch und das Stechen durch den Tätowierer in vollem Umfang den Vorschriften entsprach, war Gegenstand der Gerichtsverhandlung. Die Frau merkte an, dass sie während der Schwangerschaft an Tierhaar- und Staubmilbenallergien gelitten hätte. Diese hätten mit allergischen Reaktionen auf Tätowierfarben nichts zu tun, meinte der Fachmann. Die junge Mutter unterschrieb die Einverständniserklärung, kreuzte bei der Frage nach Allergien "Nein" an, und das Motiv, das vom Knöchel bis zum Knie reichte, wurde gestochen.

Nach zwei Wochen stellte sich jedoch beim Peckerl Juckreiz ein, Pusteln entstanden. Ärzte wurden kontaktiert, Spitalsaufenthalte mit etlichen Operationen und Hauttransplantationen samt Wundinfektionen waren in den vergangenen Jahren die Folge. Im Zuge dessen wurde erkannt, dass die Frau an einer genetisch bedingten Allergie auf Rottöne in der Tattoofarbe leidet. Sie verklagte das Studio auf Schadenersatz und bekam kürzlich recht.

Die Möglichkeit, dass die Kundin allergisch auf die Farbe reagieren könnte, hätte der Tätowierer ins Kalkül ziehen oder überprüfen müssen, meint das Gericht. Würde man vor der Tätowierung des Motivs Probepunkte mit den vorgesehenen Farben setzen, wären diese bei einer allergischen Reaktion mittels Stanzbiopsie entfernbar. So könne man alle Risiken ausschließen.

"Nicht praktikabel"

"Solch ein Probestechen wäre nicht praktikabel", entgegnet indes Erich Mähnert, Bundessprecher der Tätowierer-Innung. Man verwende sowieso nur Farben, die in Europa zugelassen und streng überprüft seien. "Und wie lange soll ich abwarten, bis ich das Motiv anbringen darf? Allergien können erst nach Monaten auftreten. Man müsste künftig jeden Kunden zum Arzt schicken und einen Blut- sowie Allergietest verlangen. Dieses Urteil ist in der Szene bekannt, uns hat es umgehauen."

Das betroffene steirische Tattoostudio ebenfalls – es hat gegen den Richterspruch Berufung angemeldet. "Laut Urteil müsste der Tätowierer künftig ein Arzt sein", betont der Klagenfurter Anwalt Hans Toriser, der die Beklagten vertritt. Und weiter: "Folgt man dem Entscheid, so dürfte künftig das Tätowieren grundsätzlich erst nach einer Probestechung vorgenommen bzw. gesetzlich erlaubt werden, weil ja stets eine genetisch bedingte Allergie vorliegen könnte."

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