„Überwachung ist eine Verdrängung des Problems“

„Überwachung ist eine Verdrängung des  Problems“
Kriminalsoziologe zweifelt an der Wirksamkeit von Videokameras und dynamischem Licht.

Es ist die totale Überwachung. 72 Kameras wurden kürzlich im Innsbrucker Rapoldipark installiert, sechs davon sind sogar schwenkbar, um jeden Winkel des sozialen Brennpunkts ins Visier nehmen zu können. Dazu kommt ein dynamisches Lichtsystem, das auf Bewegung reagiert und den Parkbesucher hell erleuchtet durch den öffentlichen Raum geleitet.

Lassen sich dadurch Straftaten verhindern? Wie wirken solche Maßnahmen auf die „Szene“, die in diesen Parks verkehrt? „Diese Technologie ist teuer, fehleranfällig und produziert laufende Kosten. Effekte sind in der Literatur nicht nachgewiesen“, sagt der Kriminalsoziologe Reinhard Kreissl.

„Alle Befunde zeigen, dass Überwachung und dynamisches Licht nichts bringt außer eine Verdrängung des Problems.“ Studien würden belegen, dass die angesprochenen Maßnahmen einzig im Bereich von Autoparkplätzen zu einer dauerhaft leichten Reduzierung von Vorfällen führen würde, erklärt der Experte.

Das Sicherheitsgefühl

Kreissl betont, dass angebliche soziale Brennpunkte bei den Anrainern gar nicht so negativ wahrgenommen würden. „Es gab vor Jahren ein Projekt, bei dem die sogenannten Hotspots in Österreich untersucht wurden. Das Ergebnis war ernüchternd: Von den befragten Anwohnern hatte niemand das Gefühl bedroht zu sein.“ Auch der Rapoldipark sei in dieser Untersuchung berücksichtigt worden, macht der Soziologe deutlich.

Innsbrucks Polizeistadtkommandant Martin Kirchler gesteht ein, dass die Kriminalstatistik für den Rapoldipark „keine besorgniserregenden Zahlen“ liefert. Das Sicherheitsgefühl dort sei bei den Innsbruckern aber in der letzten Zeit ins Wanken geraten.

Ähnliches ist in Graz geschehen. Dort versucht die Stadt, ein breites Publikum in den Volksgarten zurückzubringen. Seit Herbst 2016 strahlt er heller. LED-Lampen in intelligenten Parklaternen, die über Sensoren und Mikrofone verfügen und intensiver leuchten, sobald jemand zu schreien beginnt, wurden installiert. Auslöser war eine Umfrage im Jahr 2015, wonach sich wegen kleinerer Drogenhändler und Randgruppen, die sich dort aufhielten, nur mehr jeder vierte Grazer im Park sicher fühlte.

In Klagenfurt existiert seit Mai 2018 ein vergleichbares Projekt: Im Lendhafen wurden 28 LED-Lampen aufgestellt, um lärmende alkoholisierte Menschen zu verscheuchen. Bei Geschrei oder klirrendem Glas werden sie heller und blenden die Besucher.

„Ob das System wirkt, werden wir erst im Herbst sehen. In der warmen Jahreszeit hält sich die Szene sowieso immer eher in Wörthersee-Nähe auf“, erklärt Wilfried Kammerer, Leiter des Klagenfurter Ordnungsamts.

Neue Beschwerden

In Linz wurden im Sommer in etlichen Teile der Innenstadt Alkoholverbote und Schutzzonen verhängt. Ein Teil der vertriebenen Szene übersiedelte zum Südbahnhofmarkt, wo es nun wegen diverser Belästigungen Beschwerden gibt. Ein neuerliches Alkoholverbot auf dem belebten Markt kommt für Polizei und Bürgermeister Klaus Luger, SPÖ, derzeit nicht in Frage.

Für kommenden Mittwoch hat Sicherheitsstadtrat und Stadtvize Detlef Wimmer, FPÖ, zu einem Gipfel der Sicherheit- und Sozialinstitutionen eingeladen. Gesucht werde keine „Insellösung“ für den Südbahnhofmarkt, sondern ein Maßnahmenpaket für die Innenstadt, sagt Wimmer.

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