Traumatisierter Schöffe: "Bilder nie vergessen"

Traumatisierter Schöffe: "Bilder nie vergessen"
Wer als Laienrichter Belastendes erlebt, ist auf sich gestellt. Schöffe schrieb dem Minister.

Robert K. (Name geändert) handelte wie ein pflichtbewusster Bürger: Der Salzburger kam der Ladung des Gerichts, als Laienrichter in einem Prozess "objektiv" und "ohne Voreingenommenheit" zu urteilen, nach. Mit dem Urteil des Schöffensenats in dem Missbrauchsprozess war für K. der Fall aber nicht erledigt. Die Bilder, die er zu Gesicht bekommen hat, beschäftigen den zweifachen Vater noch heute.

In einem Brief beschwert er sich beim Justizminister, dass er "nach der Verhandlung nach Hause geschickt wurde". Es habe keine psychologische Nachbetreuung gegeben. Unbescholtene Bürger wie er würden "alleine gelassen werden" mit solchen Erlebnissen.

K.’s Aufgabe war es, Beweismittel zu sichten. Auf den Videos war zu sehen, wie ein Mann seine Stieftochter vergewaltigte. K. schrieb deshalb Justizminister Wolfgang Brandstetter und den Justizsprechern von ÖVP, SPÖ und Grünen: "Ich weiß bisher nur eines: Vergessen werde ich diese Bilder und diese Eindrücke nie mehr."

Der Salzburger hat seinen Finger in eine offene Wunde gelegt: Denn die Bürgerpflicht kann bei außergewöhnlichen Verfahren zur psychischen Belastungsprobe werden. Während das Justizpersonal, also die Profis, eine Supervision in Anspruch nehmen kann, ist ein derartiger Service für Schöffen oder Geschworene nicht vorgesehen.

Schöffe K. hätte sich genau das gewünscht: Zumindest "eine Liste von (Beratungs-)Einrichtungen" oder "besser noch, geeignete Personen", um das Erlebte aufzuarbeiten. Ihm werde das nun "viel Kraft und Zeit kosten". Er stehe mit seinem Wunsch nicht alleine da.

"Schäbig"

Der Grüne-Justizsprecher Albert Steinhauser hat K.s Anliegen ins Parlament getragen. Per Antrag forderten die Grünen, eine kostenlose psychologische Beratung für Schöffen und Geschworene einzurichten. Der Vorschlag sieht bei Bedarf eine Betreuung erst nach Abschluss des Verfahrens vor, damit es zu keiner Beeinflussung der Laienrichter kommt. Da die Fallzahl "überblickbar" sei, hielte sich die "finanzielle Belastung in Grenzen". Es bräuchte nur ein paar Vertragspartner. Im Plenum wurde der Antrag von den Regierungsparteien abgelehnt. Steinhauser hält den derzeitigen Zustand für "einen absoluten Missstand und schäbig gegenüber den Betroffenen".

Der Justizminister hat K. zurückgeschrieben. Brandstetter habe einen "internen Diskussionsprozess darüber angestoßen, wie ein derartiges Unterstützungsangebot" aussehen könnte, erklärt seine Sprecherin. In der Info-Broschüre für die Laienrichter und durch die Richterschaft soll es bald einen Hinweis auf bestehende Einrichtungen geben. Ob eine psychologische Nachbetreuung finanzierbar wäre, bedürfe "noch einer vertieften Prüfung".

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