Trachtenboom: Auf zum Andirndln

Trachtenboom: Auf zum Andirndln
Mit der Wiener Wiesn startet auch die Zeit der Tracht, das Dirndlkleid ist gefragter denn je

Blau-weiße Fähnchen, meterlange Bierbänke unter riesigen Zeltplanen und volkstümliche Musik – ein Bild, das sich in den kommenden Tagen in ganz Österreich mannigfach wiederholt. Oktoberfest-Saison ist: Ab heute, Donnerstag, auch offiziell in Wien, wenn der Bieranstich auf der Wiener Wiesn erfolgt. Brauchtum und Tradition wurden wieder zum Mainstream. Modisch ist es wieder en vogue, – nicht nur auf dem Land, sondern eben und vor allem auch in der Stadt – Tracht zu tragen.

Für die Bekleidungsindustrie ist die Tracht schon längst ein lukrativer Geschäftszweig geworden. Der modische Zuspruch hat auch zur Folge, dass selbst Modeunternehmen, die keine Experten auf diesem Gebiet sind, Tracht in hoher Stückzahl anbieten. Seien es internationale Riesen wie Peek & Cloppenburg, New Yorker, C&A oder aber auch Allesanbieter wie Tchibo, Ernestings Family bis zu Luxushäusern wie Hugo Boss. Selbst Billigdiskonter wie Hofer haben das traditionelle Gewand zum Schnäppchenpreis im Sortiment.

Die gesellschaftliche Akzeptanz der Tracht war nicht immer so groß wie zurzeit. Von der bäuerlichen-provinziellen Zuordnung bis hin zu politischen Instrumentalisierung im Nationalsozialismus, die heute noch bei einigen Trachtengegnern einen Beigeschmack hinterlässt – die Tracht musste mit vielen Vorurteilen kämpfen. Es hat Jahre gedauert bis das Image aufpoliert und salonfähig wurde. Das bestätigt auch Trachtenexpertin Gesine Tostmann: „Nach dem Krieg stempelte man auf vielen Bühnen des Landes Trachtenträger automatisch als Dorftrottel oder Nazi ab. Dem gegenüber steht etwa die Trappfamilie, die einen ganz anderen Flügel vertreten und ins Ausland getragen hat.“ Damit sei auch Aufklärungsarbeit geleistet worden, die man hierzulande noch immer viel zu wenig schätze.

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DirndlexpertinTostmann

Manufaktur und Masse

Der wertschätzende Umgang mit der Manufakturarbeit, die hinter jedem hochwertigen Dirndlkleid steht, bleibt jedoch oft auf der Strecke. Zum einen schlägt sich das beim Preis nieder, zum anderen verweist Tostmann auf weitere Aspekte: „Nachhaltigkeit, Ausbeutung von Natur und Mensch – Komponenten, die bei allen Massenproduktionen zu hinterfragen sind. Das ist eine furchtbare Entwicklung, ich bin zwar kein Anhänger von Verboten, aber in diesem Fall würde ich das unterstützen.“

Moderatorin und Modedesignerin Silvia Schneider ortet das Problem ebenfalls in der steigenden „Haben-Wollen“-Mentalität. „Nicht jeder möchte mehrere hundert Euro für ein Dirndl ausgeben, das ist auch okay. Mein Tipp: Auf Flohmärkten oder in Secondhand-Läden verbergen sich oft qualitativ hochwertige Dirndl. Mit ein paar Handgriffen lassen sich die Kleider schnell aufputzen.“ Bei den Fauxpas sind sich beide Damen in einem Punkt einig: Zu kurz darf das Dirndl nicht sein, der Rest ist Geschmackssache.

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Modedesignerin Silvia Schneider

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