Dieses „Fleckbenzin“ gab es daher meist in Apotheken und in kleinen Mengen, beschreibt Helmut Eberhart, Uni-Professor für Kulturanthropologie in Graz. Gebinde mit 100 oder 200 Milliliter waren üblich.
Die erste Überland-Autofahrt der Geschichte
Allerdings ließ sich mit diesem Reinigungsmittel auch ein Vehikel wie der „Benz Patent-Motorwagen, Typ 3“ in Gang setzen. Damit trat etwa Bertha Benz, Frau des Erfinders der „pferdelosen Kutsche“, Carl Benz, 1888 zur ersten Überland-Autofahrt der Geschichte an.
180 Kilometer spulte sie zwischen Mannheim und Pforzheim ab. Bei einer Apotheke entlang der Strecke kaufte die 39-Jährige deshalb sämtliche Vorräte an Fleckbenzin auf. Die Apotheke in Wiesloch (Baden-Württemberg) wurde somit zur ersten Tankstelle der Welt. Heute noch erinnert dort ein Denkmal an diesen denkwürdigen Moment.
Mit dem Siegeszug des Automobils zu Beginn des 20. Jahrhunderts, befeuert auch durch Henry Ford in den USA, sei aber deutlich geworden: Es brauchte ein anderes Vertriebsnetz für den Treibstoff, beschreibt Eberhart, der ausgehend von Projekten mit Studierenden den „Mythos Tankstelle“ erforschte.
Nachfrage war zu groß
Zunächst seien es zwar weiterhin Apotheken, aber auch Gasthäuser oder sogar Fahrradhändler gewesen, die Benzin für Autofahrer feilboten. Doch mit der Nachfrage kamen diese Anbieter nicht mehr mit: Allein aus Deutschland weiß man, dass es Anfang des 20. Jahrhunderts bereits an die 40.000 Autos gab.
„Es war also nur noch eine Frage der Zeit, bis sich die Erdölkonzerne etwas einfallen lassen mussten“, schildert Eberhart. So kamen „Pumpenstände“ auf: Die Standard Oil Company John D. Rockefellers eröffnete 1907 in Seattle die erste Tankstelle der Welt, die Treibstoff über einen Schlauch in Autotanks füllte.
Die erste massentaugliche Konstruktion wurde 1915 von Shell auf der Weltausstellung in San Francisco präsentiert: Häuschen mit Vordach, mehrere Zapfsäulen, unterirdische Tanks – der Prototyp der modernen Tankstelle.
Österreich-Premiere in Graz
Bis sie den Weg nach Österreich fand, dauerte es aber noch, erst 1924 war es so weit. Der Bau einer „bisher nicht gekannten Einrichtung, einer öffentlichen Benzinzapfstelle“ auf dem Grazer Jakominiplatz, erregte gewaltiges Interesse, wie eine Zeitung damals schrieb: „Einfach und ungefährlich“ sei die Bedienung.
Zur Eröffnung Mitte September 1924 stellte sich die Lokalpolitik ein. Diese Tankstelle gehörte Karl Löffler und Heinrich Haas, die Kinos im Bundesland betrieben. Kurz darauf ging ihre Zweite in Graz am Lendplatz in Betrieb. Die erste offizielle Tankstelle Wiens folgte erst im August 1925 bei der Volksoper.
Empörung über Preise
Die Anzahl der Tankstellen wuchs danach rasant, österreichweit dürften es Ende 1925 rund 100 gegeben haben, in Graz waren es 1928 16 öffentliche sowie zehn private Tankstellen. Und schon begannen Preisdebatten und Diskurse über Benzinkartelle, obwohl Autos längst noch keine Massenware und nur für betuchtere Menschen erschwinglich waren.
Als 1930 der Preis von 27 auf 51 Groschen pro Liter sprang und die Politik gar von der Einführung einer Benzinsteuer sprach, war die Empörung groß. Österreichs erste Tankstelle, jene am Jakominiplatz, ist jedoch längst Geschichte: Sie wurde 1964 abgerissen.
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