Süchtige warten zu lange auf Therapie
30, 24, 38, 36, 42, 20, 22, 34, 18 und 36 Jahre alt waren jene Kärntner Männer, die heuer bereits an einer Überdosis Drogen gestorben sind. Der Letzte wurde am Sonntag im Klagenfurter Stadtteil Fischl tot aufgefunden und war bisher noch nicht Inhalt einer Polizeiaussendung. Diese häufen sich in den vergangenen Wochen im Zusammenhang mit Drogentoten. Im Vorjahr waren im südlichsten Bundesland sechs zu verzeichnen, der Schnitt der letzten Jahre liegt bei acht; mehr als zehn gab es noch nie. Heuer ist diese Zahl bereits jetzt erreicht.
Ein heikles Thema, das in Kärnten die Politik auf den Plan ruft, ein Sonderlandtag zur Causa wird vorbereitet. Fachleute der Stadt Klagenfurt und vom Land sowie Ärzte wollen sich nicht die Finger verbrennen, sprechen bei KURIER-Anfragen nur anonymisiert über mögliche Ursachen. „Die Klagenfurter Drogenambulanz geht über, obwohl die Zahl der Therapieplätze von 400 auf 700 erhöht wurde.“ „Im Land gibt es nur vier Betten für den stationären körperlichen Entzug. Die Wartezeit für jemanden, der sich für den Entzug entscheidet, beträgt vier Monate. In denen schwebt der Süchtige in Lebensgefahr.“ „Es ist eine Schweinerei, dass es keine Drogenentzugsstation gibt.“ Das sagen Experten, die man nicht namentlich zitieren darf.
Der Handel mit den verbotenen Substanzen floriert, auch die Todesdroge „Pinki“ ist hier stets erhältlich und forderte 2017 mindestens ein Kärntner Opfer. Konsumenten unterschätzen häufig, dass die Drogen kaum gestreckt sind.
Steigerung: 33 Prozent
„Die Slowenien-Drogen-Schiene nach Kärnten hat sich etabliert, dazu kommt ein starker Handel durch Schwarzafrikaner in Klagenfurt“, sagt Gottlieb Türk, Leiter des Landeskriminalamts.
2017 habe es im Bereich Suchtgiftkriminalität in Kärnten 2210 Anzeigen gegeben, das sei ein Allzeitrekord und eine Steigerung gegenüber 2016 um 33,2 Prozent. „Das bedeutet aber nicht, dass Kärnten eine Drogenhochburg ist, sondern dass die Polizeiarbeit effizienter wurde. 100 Drogenfahnder sind im Einsatz, die Zahl der Ermittler in Klagenfurt wurden kürzlich verdoppelt“, betont Türk. Vergleichszahlen aus anderen Bundesländern gebe es noch nicht, heißt es vom Bundeskriminalamt.
Paradebeispiel Wien
Dafür gibt es Zahlen von Drogentoten: Die erreichten in Österreich im Jahr 2011 mit 237 einen Höchststand, sind seitdem in allen Bundesländern gesunken. 2014 waren es gesamt 140, im Vorjahr 96. Paradebeispiel ist Wien: 2011 verzeichnete die Hauptstadt 111 Drogentote, inzwischen weniger als ein Drittel davon. „Opiate sind nicht mehr populär. Diese Szene altert, es kommen kaum Junge nach“, erklärt Alfred Uhl vom Kompetenzzentrum Sucht der „Gesundheit Österreich“. Außerdem sei die Substitutionsbehandlung ausgeweitet worden. Der Süchtige muss sich den Stoff also nicht mehr in der Illegalität besorgen.
Während die Zahl der Toten durch Drogen-Überdosierungen sinkt, wird jene der Toten durch Alkoholmissbrauch nicht gemessen. Daher fehlen Statistiken zur Todesursache Alkohol. Im Totenschein kann nur ein Grund angegeben werden – die Liste der Ursachen ist aber breit gefächert: von Leberzirrhose über Psychosen bis zu Krebs. Oder Suizid. „Das Selbstmordrisiko ist bei Alkoholkranken 15-mal höher“, erklärt Michael Musalek, Experte für die Behandlung von Suchtkrankheiten. Schätzungen wagt er zur Zahl der Abhängigen: 350.000 Österreicher seien als „alkoholkrank“ einzustufen, 650.000 würden einen „problematischen Umgang“ mit Alkohol pflegen. Die Zahlen seien über die vergangenen Jahre konstant geblieben, Niederösterreicher, Burgenländer, Steirer und Oberösterreicher würden Hochprozentigem „aufgrund der Verfügbarkeit“ eher zusprechen.
Ein Punkt falle im Kontext mit Alkoholkonsum auf: „Bei Frauen gibt es massive Zuwachsraten. Das Verhältnis zwischen alkoholkranken Frauen und Männern war vor Jahren 1:4, jetzt ist es 1:3,5“, sagt Musalek. Frauen mit einem Schwips am Nachmittag seien gesellschaftlich akzeptabel geworden, nennt er einen Hauptgrund.
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