Wengrafs Verwandtschaft wusste von all dem nichts – bis zum Zeitpunkt der Beerdigung. „Ich hatte kein enges Verhältnis zu meiner Tante“, sagt Michael Wengraf, Sohn des Halbbruders von Wengraf. „Sehr wohl aber ein anderer Neffe, der regelmäßig mit ihr telefoniert hat. Und nie war von diesem Herrn die Rede.“ Von der Adoption habe man überhaupt erst im Zuge des Verlassenschaftsverfahrens erfahren. „Ich bin aus allen Wolken gefallen“, beschreibt der Neffe. „Wir sind alle davon ausgegangen, dass meine Tante ihren Nachlass für in Not geratene Berufskollegen widmet. Dafür hat sie auch davor immer wieder gespendet.“
Die Familie hegt massive Zweifel. Denn das Testament sei ein Monat nach einem Schlaganfall der Tante erstellt worden. Und zum Zeitpunkt der Adoption sei sie dement gewesen.
Medizinische Unterlagen
Wengraf stützt sich dabei auf medizinische Unterlagen. Zum einen auf ein Schreiben der Hausärztin vom 4. Mai 2020, in dem diese um Erhöhung der Pflegestufe ersucht. Zitat: „Die Demenz hat sich ebenso drastisch verschlechtert.“ Zum anderen liegt dem Neffen eine Unterlage eines Krankenhauses vor (19. November 2020), auf der handschriftlich festgehalten wird: „Pat. total dement, sie kann auf keinen Fall unterschr.“
„Aber das Bezirksgericht hat das nicht berücksichtigt“, ist Wengrafs Neffe empört. „Das ist haarsträubend. Uns bleibt nur noch eine Erbschaftsklage.“
Der Theateragent weist die Beschuldigungen klar von sich. Als ihn der KURIER kontaktiert, besteht er allerdings darauf, nicht zitiert zu werden. Auch sein Name soll nicht genannt werden. Doch er bestätigt die Schilderungen seines Rechtsanwalts Michael-Paul Parusel.
Bezugsperson
„Er kannte Wengraf schon seit mehr als 20 Jahren und hat sich seither um sie gekümmert. Die Familie war nie da“, schildert der Rechtsanwalt, der ursprünglich auch der Rechtsbeistand von Senta Wengraf war. Der Theateragent sei die einzige Bezugsperson von Wengraf gewesen. Entsprechend habe die betagte Frau 2016 auch das Testament in seinem Sinne formuliert. „Auch der Wunsch für eine Erwachsenen-Adoption kam von der Schauspielerin.“
Wengraf sei zuletzt zwar altersbedingt gebrechlich, geistig aber bis zum Schluss topfit gewesen. „Schauen Sie“, sagt Anwalt Parusel und zückt sein Handy, um Bilder von Wengraf mit Schauspiel-Kollegen oder bei Theaterbesuchen zu zeigen. „Schaut so jemand aus, der dement war?“
Aussagen von Weggefährten und Wengrafs Pflegerin seien auch vor Gericht berücksichtigt worden. Genauso wie das Gutachten einer Neurologin. „Da gibt es nichts Krummes“, sagt Parusel.
Um welche Summen es bei Wengrafs Erbe geht, will man nicht verraten. Michael Wengraf schätzt, dass es um rund eine Million Euro gehen könnte. Ein Teil der Verlassenschaft wurde im Jahr 2022 über das Auktionshaus Aurena versteigert. Unter den 600 Positionen war unter anderem Schmuck, eine Reisetasche von Bruno Kreisky und sehr viel Keramik.
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