Strafe für Grapscher: "Totes Recht"

Grapschkommission oder „g’sunde Watschn“?
Gerichte im Beweisnotstand sollen künftig Würde bewerten und Zielsicherheit beurteilen.

Die heftig kritisierte und unter schweren Geburtswehen zustande gekommene neue Strafbestimmung der sexuellen Belästigung könnte bald "totes Recht" werden. Davon gehen Strafrechtsprofessoren wie Alois Birklbauer aus, für die der in der Öffentlichkeit als "Po-Grapscher"-Paragraf titulierte Tatbestand zu unbestimmt formuliert ist.

"Vom Strafrecht werden klare Normen mit wenig Spielraum erwartet", sagt der Linzer Institutsvorstand Alois Birklbauer. Der in den § 218 eingefügte neue Absatz 1 a erfülle diesen Anspruch nicht. Mit bis zu sechs Monaten Haft wird bestraft, wer "eine andere Person durch eine intensive Berührung einer der Geschlechtssphäre zuzuordnenden Körperstelle in ihrer Würde verletzt."

Strafe für Grapscher: "Totes Recht"
Dr. Alois Birklbauer, Strafrechtler
Birklbauer fragt: "Was ist eine zuzuordnende Körperstelle? Das Gesäß, der Oberschenkel, was noch? Bauch, Hals?" Nächste unklare Frage: "Was ist Verletzung der Würde? Das ist ein Wertungsbegriff, dessen Auslegung auf die Gerichte übergewälzt wird."

Präzision

In den seitenlangen Erläuterungen des Justizministeriums zur angeblich "präzisen Formulierung" rund ums Gesäß wird auf "Präzision und Zielsicherheit" des Angreifers abgestellt. Die Berührung muss zwar intensiv und darf nicht flüchtig sein, aber auch der "schnelle, bewusste Griff" wird als strafbar gewertet.

Der Oberste Gerichtshof hat die Gesäßregion bisher nicht der unmittelbaren Geschlechtssphäre zugerechnet. "Schläge darauf sind demnach nicht als unzüchtig anzusehen, mögen ihnen auch sadistische, auf die Erregung oder Befriedigung des Geschlechtstriebes ausgerichtete Motive zugrunde liegen", gab das Höchstgericht in einem Grundsatzurteil die Linie vor. Auch die Oberschenkel "zählen nicht zur unmittelbaren Geschlechtssphäre. Von der herrschenden Judikatur werden nur die dem männlichen oder weiblichen Körper spezifisch eigentümlichen Körperpartien als der Geschlechtssphäre zugehörig betrachtet" (OGH).

Das Justizministerium will den Allerwertesten und die Oberschenkel nun aber per Gesetz der Geschlechtssphäre zuordnen. Stellt sich die Frage, ob sich die Gerichte danach richten.

Ohrfeige

Strafrechtler Birklbauer sagt, sie könnten auch an der bisherigen Rechtsprechung festhalten. Dann wäre der neue Paragraf rasch "totes Recht". Ebenso wenn es nicht genügend Opfer gibt, die solche Übergriffe strafrechtlich verfolgt wissen wollen, sondern sie einfach mit einer Ohrfeige quittieren.

Wird die Attacke am Arbeitsplatz verübt, konnte das Opfer auch bisher schon Klage nach dem Gleichbehandlungsgesetz am Arbeitsgericht einbringen und Schadenersatz fordern. Ein Chef stellt sich seiner Mitarbeiterin in den Weg, greift ihr aufs Gesäß und muss 2500 Euro zahlen. Ein Kollege bespricht mit einer Kollegin gegen deren Willen ständig sein Sexualleben und greift ihr dabei auf die Schenkel, er wird zu 3500 Euro verurteilt. Ein Geschäftsführer krault seine Sekretärin gegen ihren Widerstand am Kopf, knabbert an ihrem Ohr, macht anzügliche Bemerkungen: 3500 Euro.

Drei Fälle aus jüngster Vergangenheit, in denen die Frauen bei der Arbeiterkammer Unterstützung bekommen haben. Die Richter orientieren sich an den Begleitumständen. Wenn die Chefs schon im Bewerbungsbogen Fragen nach dem Sexualleben aufwerfen, erscheinen später behauptete Belästigungen plausibel.

Strafe für Grapscher: "Totes Recht"
BILD zu OTS - Hans Trenner, Leiter des Bereiches Beratung, AK Wien
Im Strafverfahren reicht die Plausibilität nicht, der Richter muss den Übergriff für sicher halten. Hans Trenner, Leiter der AK-Rechtsberatung, räumt dem neuen Strafgesetz trotzdem Chancen auf Durchsetzung ein: "Auch mündliche Verträge werden unter vier Ohren ohne Zeugen abgeschlossen, dennoch würde sich niemand von vornherein scheuen, sie einzuklagen."

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