In etwa jeder zweiten Gemeinde Tirols ist die Wohnungsnot so groß, dass das Land sie als Vorbehaltsgemeinden ausweist. In diesen ist die Kommunalpolitik angehalten, Vorrangflächen für den sozialen Wohnbau auszuweisen.
Besonders prekär ist die Lage aufgrund eines überhitzten Marktes, in dem Immobilien- und Grundstückspreise sich innerhalb eines Jahrzehnts verdoppelt haben, in der Landeshauptstadt. Hier liegen rund 2.000 Anträge auf eine Stadtwohnung vor.
Instrument der Raumordnung
Die Innsbrucker Dreier-Koalition macht sich nun daran, dieses Instrument der Tiroler Raumordnung zu nutzen, das es bereits seit 1994 gibt, das aber inzwischen unter bestimmten Voraussetzungen nicht nur eine Option, sondern sogar ein Muss ist.
„Wir sind nahezu dazu verpflichtet“, erklärte Bürgermeister Johannes Anzengruber (JA) am Mittwoch bei einer Pressekonferenz, bei der angekündigt wurde, dass 23 Grundflächen im Gemeindegebiet als Vorbehaltsflächen für sozialen Wohnbau ausgewiesen werden sollen.
Hand auf 50 Prozent
Für die Eigentümer, darunter unter anderem kirchliche Grundbesitzer, aber auch Investoren aus dem Ausland, hat das einschneidende Folgen. Bis zu 50 Prozent der betroffenen Flächen müssen die Besitzer an die Stadt oder einen gemeinnützigen Wohnbauträger zu Wohnbauförderkonditionen – also unter Marktwert – verkaufen.
Werden die Flächen innerhalb von zehn Jahren nicht zum Kauf angeboten, werden die Baugrundstücke zu Freiland - mit entsprechendem Wertverlust.
SPÖ-Chef Benjamin Plach, Bürgermeister Johannes Anzengruber, Stadträtin Janine Bex (Grüne), Anne Weidner (Referentin Referat Raumplanung und Stadtentwicklung) und Wolfgang Andexlinger (Leiter der Stadtplanung) erläuterten bei einem Pressegespräch die Ausweisung von Vorbehaltsflächen für den geförderten Wohnbau
„Wir sind von Enteignung weit entfernt“, richtet Anzengruber den Kritikern der Vorgangsweise der Dreier-Koalition aus JA, Grünen und SPÖ aus und streicht hervor: „Das ist Bauland, das schon seit über 15 Jahren Bauland ist.“ Es geht also um Grundflächen, die also für den Zweck gewidmet wurden, dass darauf Wohnraum entsteht.
Auf diesen in Summe rund 10,7 Hektar ist – teilweise seit Jahrzehnten – nicht passiert. Nur der durch die Umwidmung in Baugrundstücke vergoldete Wert von Wiesen und Äckern ist regelrecht in die Höhe geschossen.
Gegen die Preisspirale
„Wir wollen die Preisspirale abfedern. Eines brauchen wir nicht: Preise von über 10.000 Euro pro Quadratmeter“, spielt der Bürgermeister auf einige Grundstücksdeals der jüngeren Vergangenheit an.
Ziel der Ausweisung der Vorbehaltsflächen, die nur auf Grundstücken mit mehr als 2.500 Quadratmetern angewandt wird, sei die Schaffung von leistbarem Wohnraum. „Für ausländische Investoren haben wir keinen Platz in Innsbruck“, so Anzengruber.
Bis zur Umsetzung hat die Stadtregierung aber noch einen weiten Weg zu gehen. Am heutigen Donnerstag sollen zunächst Bausperren für die Dauer von einem Jahr im Gemeinderat verhängt werden.
Damit soll verhindert werden, dass die anvisierten Grundstücke von den Eigentümern geteilt werden und sie durch Verkleinerung aus der Regelung herausfallen.
Nicht der erste Anlauf
2018 war der damalige Bürgermeister Georg Willi (Grüne), heute Vize-Stadtchef, noch an fehlenden Mehrheiten im Gemeinderat gescheitert. Die Dreier-Koalition verfügt nun über ausreichend Stimmen, einige kleinere Fraktionen wollen aber ebenfalls mitgehen.
„Wir haben die Instrumente und die Verantwortung, sie zu nützen“, sagt die für Stadtplanung zuständige Stadträtin Janine Bex (Grüne). SPÖ-Stadtparteichef Benjamin Plach sieht bereits „den Anfang vom Ende der Innsbrucker Wohnungskrise.“
Klagen in Kauf genommen
Noch in diesem Jahr soll eine Änderung des örtlichen Raumordnungskonzepts mit den Vorbehaltsflächen aufgelegt und dann innerhalb von zwei Jahren beschlossen werden. Anzengruber will zwar das Gespräch mit allen Eigentümern suchen, stellt sich aber auch auf Widerstand ein: „Natürlich wird es Stellungnahmen und Klagen geben.“
Der Bürgermeister will zwar die betroffenen Liegenschaften "gemeinsam mit den Eigentümern kooperativ entwickeln." Sie werden nun von ihm direkt angeschrieben. Er sagt aber auch: "Wir einigen uns oder einigen uns nicht. Wenn einer nicht bereit ist, ist das Raumordnungsinstrument da."
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