Sobotka: "Illegale" sollen vor Strafrichter landen

Innenminister sieht bei Notverordnung den Sozialminister in der Pflicht.
Innenminister Wolfgang Sobotka will strengere Gesetze gegen Wirtschaftsflüchtlinge.

Der KURIER sprach mit Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) über die Folgen der Flüchtlingskrise

KURIER: Wie haben Sie im Vorjahr den Ausbruch der Flüchtlingskrise erlebt?

Sobotka: Persönlich hat mich damals die Nichtvorbereitung auf diese Bewegung irritiert.

Kritik an wem?

Das ist eine Feststellung. Erst als sich die Regierungschefs zur Frage des Durchwinkens zusammengesetzt haben, als Orban den Zaun errichtet hat, konnte man erkennen, dass die EU einen ungeheuren Handlungsbedarf hat. Heute gilt, dass die EU von den Plänen zu Maßnahmen kommen muss.

Jetzt sagt Kilian Kleinschmidt, der frühere Flüchtlingsberater der Regierung, dass er keine Flüchtlingswelle wie 2015 erwartet. Teilen Sie das?

Nein. Wir müssen uns auf eine weitere Flüchtlingswelle vorbereiten.

Die kommt woher?

Wenn sich heute im libyschen Bereich zwischen 300.000 und 900.000 Menschen aus wirtschaftlichen Gründen versammelt haben und die sich nach Europa bewegen, schaut die Situation ganz anders aus. Und ob der Pakt Türkei und EU wirklich so hält, wage ich vom heutigen Standpunkt her weder zu verneinen noch zu bejahen.

Was sagen Ihre Experten?

In den nächsten ein bis drei Wochen ist mit keinen größeren Anlandungen zu rechnen. Aber was im Oktober ist, weiß niemand. Wer hätte den Putschversuch in der Türkei vorausgesagt? Nicht einmal unsere Nachrichtendienste hatten dafür Anzeichen.

Die Sorge bleibt also.

Mit Sicherheit ist nicht auszuschließen, dass sich im Herbst eine größere Menge an Menschen auf die Wanderschaft nach Europa begibt.

Nun lenkt Bundeskanzler Christian Kern bei der umstrittenen Sonderverordnung ein. Damit könnten Sie bald Maßnahmen setzen, um Flüchtlinge an der Grenze zurückzuweisen.

Wenn sich die SPÖ bereit erklärt, diesen Schritt zu setzen, ist das zu begrüßen. Um das rasch in die Begutachtung zu schicken, müssen aber noch Berichte einzelner Ministerien rasch vorliegen.

Ist da jemand säumig?

Ja. Da meine ich besonders das Sozialministerium, das die Arbeitsmarktlage noch immer nur als Herausforderung sieht, aber nicht als eine, die angespannt ist.

Worin begründet sich das?

Wir haben im Sommer eine Höchstbeschäftigung, aber auch die Arbeitslosenrate steigt. Ich werte das als Indiz dafür, dass der Arbeitsmarkt übervoll ist.

Was hat das mit Flüchtlingen zu tun?Der wesentlichste Bestandteil einer Integration ist, Menschen eine Perspektive auf ein eigenverantwortliches Leben zu geben. Und das können wir in keiner Phase garantieren.

Welche Beurteilung erwarten Sie vom Sozialminister?

Dass der Arbeitsmarkt in seinen Kapazitäten erschöpft ist und es keinen weiteren Zuzug geben kann.

Gehen wir davon aus, Sie bekommen die Verordnung. Faktum ist aber auch, die Balkan-Route ist lahmgelegt, die Asylantragszahlen gehen zurück. Welche Maßnahmen wollen Sie dann an der Grenze treffen?

Wenn man sich die Zahlen ansieht, dann hat Österreich auch 2016 eine der höchsten Belastungen in Europa zu schultern. Daher braucht es Maßnahmen, die Obergrenze von 37.500 in keinem Fall überschreiten zu lassen. Ich sage aber auch, die Notverordnung ist nicht das Wunderwerkzeug.

Wie alle Politiker sagen Sie, die EU muss ihre Außengrenze besser schützen.

Wir reden nicht nur, sondern wir tun auch. Wir haben einen Pool von 180 Polizisten zur Grenzsicherung für Frontex bereitgestellt und 23 Polizisten an der Außengrenze in Ungarn zu Serbien im Einsatz. Man kann uns also nicht vorwerfen, dass wir uns nicht an einem europäischen System beteiligen.

Also gut, Außengrenze schützen – was machen Sie noch?

Wir haben unsere Informationskampagne in den Flüchtlingscamps nicht nur in Afghanistan, sondern auch in Jordanien und Libyen neu aufgesetzt, um dort die Leute zu informieren, was sie in Europa erwartet. Nämlich nur der regulierte Übertritt.

Kommen wir zu den Sicherheitsfragen in Österreich. Es gab sexuelle Übergriffe. Da kam sofort die Forderung, kriminelle Asylwerber abzuschieben.

Wir schicken nicht nur Kriminelle zurück, sondern auch jene, die kein Asylrecht erhalten. 2014 haben wir 5934 außer Landes gebracht, heuer waren es bis Ende Juli 6160.

Aber das waren primär abgelehnte Asylwerber und keine sogenannten Kriminellen.

Das Problem ist, dass in manchen Fällen die Menschenrechtskonvention einer Abschiebung entgegensteht oder Länder keine Heimreise-Zertifikate ausstellen. Da bleibt nur die Duldung.

Das gilt auch für Flüchtlinge, die kein Asyl erhalten.

Derzeit gibt mir das europäische Recht nicht die Grundlage dafür, jene, die sich hier illegal aufhalten, strafrechtlich zu verurteilen.

Wie reagieren Sie darauf?

Wir werden im Herbst mit einem ganzen Paket von Maßnahmen auf das Parlament zukommen. Bei der Verhinderung der Identitätsfeststellung muss jetzt nachgeschärft werden. Es ist unverständlich, dass Migranten das Handy und sonst alles haben, aber den Pass und die Papiere haben sie verloren. Also ich passe auf meinen Pass besser als auf mein Handy auf.

Also wollen Sie hier ein strengeres Gesetz zur Abschreckung, um den illegalen Übertritt nach Österreich zu verhindern?

Ich würde hier von einer klaren rechtsstaatlichen Durchsetzung reden und alle Möglichkeiten andenken, die völkerrechtlich zulässig sind. Die Ereignisse des letzten Jahres haben eindeutig gezeigt, dass unsere nationale Rechtsordnung angepasst werden muss.

Also kein Pardon bei den Wirtschaftsflüchtlingen?

Der vor Krieg und Verfolgung flüchtet, der hat den vollen Schutz der Genfer Konvention zu erhalten. Aber derjenige, der aus wirtschaftlichen Gründen bei uns illegal einreist, den möchte ich strafrechtlich verfolgen können. Dazu braucht es eine ganz wesentliche gesetzliche Nachschärfung.

Wie können Sie illegale Einwanderer derzeit belangen?

Das ist ein Verwaltungsdelikt. Derzeit kann die zuständige Landespolizeidirektion einen Strafbetrag von 100 bis 1000 und im Wiederholungsfall von 1000 bis 5000 Euro einheben.

Was wollen Sie vom Nationalrat?

Änderungen beim Fremden- und Sicherheitspolizeigesetz und dem Strafrecht.

Kurz zum IS-Terror: Auch hier strengere Gesetze?

Die haben wir, jetzt geht es um Prävention. Wir wollen alle bis hin zu den Asylwerbern bei der Frage sensibilisieren, wo könnte sich Radikalisierung herausbilden.

Zuletzt hat auch die Lage in der Türkei in Österreich zu Exzessen geführt. Da gab es auch Sachbeschädigungen, eine Brandbombe und vieles mehr.

Ich werde nach dem verhinderten Anschlag in Oberösterreich die Vereinsvorsitzenden ins Innenministerium bestellen, um mit ihnen die Situation zu besprechen.

Klare Worte?

Ich werde als Maßnahme verlangen, wie das von ihrer Seite zu verhindern ist.

Reicht das, angesichts der aufgeheizten Stimmung innerhalb der türkischen Community in Österreich?

Man hat jahrelang nicht beachtet, wie sich die eine oder andere Community entwickelt, weil es vordergründig keinen Grund gegeben hat, tief hinzuschauen. Man hat daher nicht klar strukturiert Wohnbaupolitik betrieben, wo man sagt, da gibt es 24 Wohneinheiten, da müssen vier aus einer türkischen Ethnie hinein und nicht einen ganzen Block mit türkischen Ethnien. Das hat man mit Sicherheit in einzelnen Gemeinden, auch in Niederösterreich, nicht getan.

Also nicht nur ein Wiener Thema?

Nein. Das ist in Wiener Neustadt, Salzburg, Vorarlberg genauso. Wir haben es auch nicht verstanden, mit den Tschetschenen, das ist eine vom Bürgerkrieg traumatisierte Community, so umzugehen, dass sie unsere Wertvorstellungen teilen. Es zeigt sich ja, dass viele aus dem tschetschenischen Lager in den IS gegangen sind.

Sie sind Innenminister und nicht Wohnbau-Politiker.

Ich mische mich hier auch nicht ein, sondern zeige auf, wie das zu verhindern ist.

Was fordern Sie von der türkischen Community in Österreich?

Dass sie hier klar ein Österreich-Bewusstsein an den Tag legen. Für mich ist es unvorstellbar, dass einer, der in Österreich die Staatsbürgerschaft hat, in der Türkei wählt. Wir wissen, dass das stattgefunden hat.

Die Politik diskutiert auch illegale Doppelstaatsbürgerschaften Österreich und Türkei.

Das wird für mich in der Herbstarbeit eine wesentliche Frage sein.

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