Mit den in der Corona-Krise veränderten Lernbedingungen bekommt das Thema jetzt neue Brisanz. So forderte zuletzt auch der Wiener Bildungsstadtrat Jürgen Czernohorszky, den "Druck rauszunehmen" und in diesem Schuljahr auf das Sitzenbleiben zu verzichten.
Tatsächlich, so glauben Elternvertreter wie Susanne Schmid vom Verband der Elternvereine Burgenland, hätten Eltern, die gegen etwaiges Sitzenbleiben des Nachwuchses vorgehen wollen, heuer besonders gute Chancen: "Das würde durchgehen", meint sie.
Corona hin oder her, an den gesetzlichen Bestimmungen dazu habe sich nichts geändert, sagt Michael Fuchs-Robetin, Vorsitzender der Vereinigung der Richter/innen des Bundesverwaltungsgerichts und selbst ehemaliger Elternvertreter: "Eine Note kann man nicht beeinspruchen. Das bleibt auch so. Wenn jedoch ein Schüler nicht berechtigt ist, aufzusteigen, dann kann man dagegen Beschwerde einlegen. Corona spricht jedenfalls nicht dagegen, sich zu wehren."
Geregelt ist das alles übrigens im Schulunterrichtsgesetz. Hier ist nachzulesen, dass nur gegen gewisse Entscheidungen ein Widerspruch an die zuständige Schulbehörde zulässig ist. Das Wiederholen wird in Österreich im Vergleich zu anderen Ländern keineswegs übertrieben oft angewandt: Während in Deutschland 18 Prozent und in der Schweiz 20 Prozent aller Schüler im Laufe ihrer Schulkarriere einmal repetieren, sind es bei uns 15 Prozent.
Und das ist durchaus manchmal sinnvoll, findet etwa Direktorenvertreterin Isabella Zins, die auch Mitglied des KURIER-Bildungsbeirates ist. Zins ist skeptisch, was das automatische Aufsteigen betrifft: "Das Wiederholen ist ein sinnvolles Instrument, um Schülern eine Chance zu geben, den verlorenen Anschluss wiederzufinden."
Allerdings, sagt Zins, sollten die Leistungen der Schüler bis Mitte März und ihre in vielen Fällen bestens genützte Mitarbeitsphase im Distance Learning honoriert werden. "Bevor es zum Wiederholen kommt, muss es für alle noch die Chance auf eine positive Note geben." Und sie fordert für die Fortsetzung des Fernunterrichts und das Ende des Schuljahres klare Regelungen. Die Lehrkräfte würden "mit Herz und Hirn" benoten, und niemandem dürfe ein Nachteil aus der Ausnahmesituation erwachsen. Widersprüche seien auch weiterhin legitim.
Herz und Hirn. Ja, das ist nun gefragt, denn "bei manchen Schülern ist jetzt daheim die Hölle los". Heidi Schrodt war 19 Jahre lang Direktorin des Gymnasiums Rahlgasse in Wien-Mariahilf und ist Vorsitzende der Initiative "Bildung grenzenlos". Dieser Tage, sagt sie, brauche es besonderes Feingefühl. Denn: "Es gibt viele Gründe, warum man jetzt nicht dieselbe Leistung wie sonst erbringen kann. Viele sind überfordert, und die Schüler können nichts für diese Situation. Es gibt so viele Faktoren, die gegen das Wiederholen sprechen. Deshalb bin ich dafür, dass man heuer nicht durchfallen kann."
Und, fügt Schrodt hinzu, sollte doch jemand das dringende Bedürfnis verspüren, möglicherweise Versäumtes nachzuholen: Die Möglichkeit, das Jahr freiwillig zu wiederholen, gebe es ja nach wie vor.
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