"Staat wird zum größten Zuhälter"

Erst seit dem Jahr 2012 kann eine Prostituierte ihr Entgelt einklagen
Ab 1. Juli sind Prostituierte öfter lohnsteuerpflichtig. Der Plan des Fiskus erntet viel Kritik.

Der Fiskus schielt auf das Rotlicht – oder besser gesagt auf die millionenschweren Einnahmen im Gewerbe. Bisher beklagte die Finanz eine uneinheitliche Praxis: In mehreren Bundesländern führten Bordell-Betreiber Pauschalbeträge ab, in Wien galten Prostituierte steuertechnisch als Selbstständige, oder es wurde gar nicht bezahlt. Jetzt schärft die Finanz den Steuervollzug nach. Ab 1. Juli gilt nur mehr die "Einzelfallbeurteilung" – sprich: Prostituierte sind, wenn sie wie Angestellte arbeiten, lohnsteuerpflichtig.

Zwar hat der Fiskus die Betreiber informiert. Auf jene, die die Gebühr beisteuern, nämlich die Sexarbeiterinnen, wurde vergessen.

"Die wissen es noch gar nicht", sagt Christian Knappik. Knappik, der für die Plattform Sexworker.at spricht, ist Teil einer eher seltenen Allianz, die gegen das Vorhaben des Fiskus Sturm läuft: Seite an Seite warnen NGOs wie Lefö, Maiz, SAXA-Info, Pia und IBUS sowie Puff-Betreiber vor den Folgen. Frauen würden, sagt Knappik, "in die Illegalität gedrängt". Genau hier sei die Gefahr von Zwangsprostitution am höchsten, fährt er fort.

Gleichheitsgrundsatz

Eine Info-Kampagne für die Frauen sei geplant, heißt es aus dem Finanzministerium. Dort beruft man sich gebetsmühlenartig auf die heimische Judikatur: Demnach verletzen die derzeit gültigen Pauschalen den Gleichheitsgrundsatz. Denn wer mehr verdiene, müsse auch mehr Steuern bezahlen. Die Sprecherin des Ministeriums kennt die Argumente der Kritiker: Auf Anfrage wird ein Factsheet ausgeschickt. Sinngemäß heißt es darin, dass zwei Punkte für die Lohnsteuerpflicht relevant sind. Entscheidend ist, wie gut Prostituierte in den Betrieb integriert sind und ob sie von ihrem Chef Weisungen erhalten.

Knappik kritisiert, dass damit Weisungen Tür und Tor geöffnet werden: "Das widerspricht dem Wesen der Prostitution, in dem es um sexuelle Selbstbestimmung geht", erklärt er. Würde zukünftig der Freier beim Bordell-Betreiber bezahlen, dann könnten Prostituierte nicht mehr über ihre sexuelle Dienstleistung bestimmen. Eine Ministeriumssprecherin hält entgegen, dass es nur um "rechtlich zulässige Weisungen" gehe, etwa um Arbeitszeiten.

Christoph Lielacher, der in Wien den größten Club Österreichs führt, befürchtet dennoch so wie andere Betreiber, dass er mit dem Strafrecht in Konflikt gerät: Sowohl die Weisungsgebundenheit als auch das Einbehalten von Geld brächte ihn in den Verdacht der Zuhälterei. "Das haben mir Kriminalisten erklärt." Lielacher will den ersten Bescheid beeinspruchen. "Der Staat wird mit dieser Praxis zum größten Zuhälter Europas", sagt er.

Keine neuen Rechte

Arbeitnehmerinnen-Rechte wie etwa ein 13. und 14. Gehalt oder geregelte Arbeitszeiten stehen den Prostituierten trotz der Lohnsteuerpflicht nicht automatisch zu. Die Prostituierten gelten vorerst nur steuerrechtlich als Angestellte, nicht jedoch aus arbeitsrechtlicher Perspektive. Es gehe nur um eine "ertragsteuerliche Sicht", heißt es im Ministerium. Auch das kritisieren NGOs: "Den politisch Verantwortlichen geht es nicht um eine Verbesserung ihrer Situation, sondern nur um die Besteuerung ihres Verdienstes."

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