Senioren-Straftäter auf dem Vormarsch

Symbolbild
Personen über 65 sind häufig Opfer, begehen aber auch immer öfter Diebstähle und andere Delikte.

"Seniorin überfallen", "Pensionist fiel auf Trickbetrüger herein" oder "70-Jährige von Räuber niedergeschlagen" – so lauten viele Schlagzeilen. Laut Kriminalitätsstatistik werden Personen über 65 Jahren immer häufiger Opfer von Straftaten. Mehr als 5000 Pensionisten waren im Vorjahr betroffen. Die Dunkelziffer ist laut Polizei größer.

Allerdings werden Senioren nicht nur Opfer, sondern immer öfter auch selbst zu Tätern. Im Vorjahr wurden 10.304 Tatverdächtige ausgeforscht, die das Pensionsalter bereits erreicht hatten. Gegenüber 2008 (7984) ist das ein Anstieg von 29 Prozent. Der Anteil der "Golden Agers" an allen Tatverdächtigen (2014: 255.815) bleibt zwar gering. Das Verhältnis hat sich aber von 3,3 (2008) auf 4,1 Prozent erhöht.

Wegen der demografischen Entwicklung (Überalterung) nimmt grundsätzlich der Anteil an Pensionisten von Jahr zu Jahr zu. Für den Kriminalsoziologen Reinhard Kreissl ist das ein Grund, der sich auch bei der Kriminalität niederschlägt, aber nicht der einzige.

Senioren-Straftäter auf dem Vormarsch

Einbruch-Serie

Im Pinzgau haben Kriminalpolizisten heuer etwa einen Kärntner Pensionisten ausgeforscht, der seine elf Einbrüche mit selbst gebasteltem Werkzeug ausgeführt hatte. Im Weinviertel hatte ein Pensionist seine Frau wegen ihrer Kaufsucht erschlagen.

Einem 76-jährigen Mann dürfte das Warten auf die Behandlung in der Salzburger Spitalsambulanz zu viel geworden sein, er verlor die Beherrschung und machte seinem Ärger Luft: Der Pensionist drohte zwei Mitarbeitern des Krankenhauses mit dem Erschießen. Anzeigen wegen gefährlichen Drohungen haben seit 2010 um 37 Prozent zugenommen.

Kreissl erklärt, dass die Gesellschaft heutzutage "viel sensibler mit solchen Aussagen umgeht". Zudem sei der Begriff der "gefährlichen Drohung" im Strafgesetz eher weit gefasst, weshalb viele Delikte, auch Kleinigkeiten, darunter fallen würden. "Der Begriff ist schlecht definiert."

Armut als Ursache

Die Zahl an (Laden-)Diebstählen ist seit 2010 um 22 Prozent gestiegen. Laut Kreissl hängt diese Entwicklung unter anderem mit der allgemeinen Zunahme von Armut zusammen. Zudem werden die Investitionen der Unternehmen in die Überwachung stetig mehr, wie Manfred Zöchbauer von der oö. Wirtschaftskammer bestätigt.

Personen über 65 werden nicht nur häufig Opfer von Betrügern, sondern oft selbst zu welchen – plus 29 Prozent. Für Kreissl eine Folge des Online-Handels: "Wenn eine Aufforderung zur Zahlung nicht geleistet wird, kommt es sehr schnell zu einer Anzeige wegen Betrugs."

Auch die Zahl an Körperverletzungen hat um elf Prozent zugenommen. Einzig die Mordrate ist nicht gestiegen. Die große Angst vor den aggressiven Großeltern müsse man laut Kreissl nicht bekommen. Denn deren Anteil bleibt weiterhin gering. "Und eine Anzeige ist nicht gleich Anklage und nicht gleich Verurteilung."

Laut Polizei sind ältere Menschen in der Kriminalistik ein relativ junges Thema. Allerdings würden diese den Jungen um nichts nachstehen, das kriminelles Verhalten unterscheide sich nicht wesentlich. Lediglich bei der Gewalt zeigen sich Veränderungen. Während in der Jugend oft Fremde Opfer sind, richtet sich die Gewalt im Alter eher gegen die Lebensgefährten, Verwandte und Nachbarn.

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Der Anteil an Tatverdächtigen über 65 Jahren hat in den vergangenen sieben Jahren zugenommen. Kriminalsoziologe Reinhard Kneissl im Gespräch über den Anstieg, den typischen Kleinkriminellen und ob wir uns vor den Pensionisten künftig fürchten müssen.

Wie ist die Altersstruktur bei Kriminalitätsdelikten derzeit verteilt?

Reinhard Kreissl: Was wir erleben, ist zwar eine Alterung im Strafvollzug, das hängt jedoch vor allem mit der demografischen Entwicklung zusammen. Die Häftlinge werden einfach älter. Der Anteil an Pensionisten ist dabei weiterhin aber sehr gering.

Wie verläuft eine typische Karriere von Kleinkriminellen?

Die Anzahl der begangenen Delikte verläuft wie in einer Glockenkurve. Die Taten beginnen mit ungefähr 14, 15, 16 Jahren, werden mehr und nehmen erst Ende der 20er wieder ab. Die häufigsten Delikte reichen dabei von Körperverletzung und Betrug über Diebstahl und Raub.

Sind Sie dann von der Zunahme der Straftaten bei den Pensionisten überrascht?

Das ist eine untypische Entwicklung, denn normal nehmen die Straftaten mit dem Alter eben ab. Das ist auch auf das Strafgesetzbuch zurückzuführen, das auf Prävention ausgelegt ist. Das bedeutet: Das Strafausmaß nimmt mit jedem weiteren Delikt zu, wodurch die Täter abgeschreckt werden sollen. Eine Anzeige ist aber nicht gleich Anklage und nicht gleich eine Verurteilung vor Gericht. Deshalb müsste man die Hintergründe noch näher analysieren.

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