Schwule Soldaten: Gehasst. Geliebt. Geheiratet.
KURIER: Sie haben sich am 31. 1. in der Galauniform verpartnert. War die „Hochzeit in Weiß“ für Sie mehr als nur ein öffentliches Bekenntnis?
Charles Eismayer: Wir haben lange überlegt ob Uniform oder in Zivil. Wir sind mit Herz und Seele Soldaten. Deshalb habe ich beim Ministerium angefragt, da ich meinem Ressort, meinem Berufsstand nie schaden will!
Dachten Sie, dass Ihnen die Verpartnerung verweigert wird?
Wie hat Ihr Umfeld reagiert?
Mario Falak: Meine Dienststelle in Götzendorf hat es sehr positiv aufgenommen. Meine Eltern haben schon lange gewusst, dass wir zusammen sind. Dass wir uns verpartnern wollen, hat sie dann doch überrascht. Meine Mutter hat es schweren Herzens hingenommen, weil damit die Hoffnung auf Enkelkinder endgültig gestorben ist. (lacht) Bis auf Postings auf Politically Incorrect habe ich keine einzige negative Meldung gehört.
Eismayer: Ich schwöre: Keine einzige negative Meldung. Was sie hinter meinem Rücken sagen, kann ich nicht wissen.
Wann wussten Sie, dass Sie homosexuell sind?
Eismayer: Ich wusste es sehr früh und habe versucht, es zu verdrängen. Man ist mit Vater und Mutter aufgewachsen. Meine Eltern waren in der Gastronomie. Da ist das Doppelleben entstanden.
Definieren Sie bitte Doppelleben!
Eismayer: In der Jugend habe ich mich gefragt, wann ich mit dem Moped von Baden-Traiskirchen nach Wien in die einschlägige Szene komme. Ich war ja auch verheiratet, weil die Eltern mir keine Ruhe gelassen haben.
Heirat aus Pflichterfüllung?
Eismayer: Es war Liebe, aber nicht die Liebe. Eine bildhübsche Italienerin. Wir waren glücklich. Wir haben ein Wunschkind. Keine Frage. Trotzdem war es nicht die Erfüllung. Da war ich 24. Nach fünf Jahren wusste ich, dass der Drang nach meinem eigenen Leben größer wird, und ich meine Frau nicht unglücklich machen will.
Sie haben sich ihr offenbart ...
Sie sind sehr hart!
Eismayer: Ich bin Soldat! Er antwortete: „Dann würde ich ihr den Hof machen.“ Und dann sagte ich: „Okay, dann werden wir es so machen. Nur eines sage ich dir: ,Wenn ich irgendwann erfahre, dass du meine Frau oder meinen Sohn schlecht behandelst, dann gehe ich ins Gefängnis und du bekommst kalt-warm.‘“ Im Endeffekt war es eine Bilderbuch-Trennung.
Klingt mehr nach Drehbuch. Wie alt ist Ihr Sohn?
Eismayer: (hält inne) Alexander wäre jetzt 25. Er war eine Seele von einem Menschen. Irgendwann, als er den ersten Joint geraucht hat, habe ich ihm eine Wohnung neben meiner organisiert, damit ich ihn unter Aufsicht habe. An einem Abend hat er die Tür nicht aufgemacht. Ich habe wieder und wieder geklopft. Später war die Tür offen. Da habe ich ihn gefunden. Er wurde totgespritzt.
Der erste Schuss Heroin war tödlich?!
Eismayer: Ja. Mario war jener Mensch, der immer an meiner Seite war. Zuerst starb mein erster Lebenspartner, dann kamen militärische Veränderungen, dann starb mein Sohn und dann kam mein Krebs. Es ging bergab, bergab, bergab. Und Mario war immer da!
Wann und wo haben Sie sich kennengelernt?
Eismayer: Mario war bei mir eingerückt. Er war mein militärischer Ziehsohn. Ich habe ihn vom ersten Tag an gehasst! (lacht) Weil er alles besser wusste! Ich habe ihn hergenommen wie es nur ging! Exerzieren, exerzieren, exerzieren! (klopft Falak, der zu seiner Rechten sitzt, auf die Schulter)
Falak: Und ich habe es nur als Training genommen! (lacht) Alle haben mich hergewetzt bis zum Tag der Abrüstung. Nach der Abrüstung habe ich mich verpflichtet. Nach zwei Monaten kam ich zurück, und dann hat er mich wieder gemaßregelt. Ich habe natürlich gerechtfertigter Weise zurückgeredet! Ein Ausbildungsvorhaben ist zu erfüllen. Alle sagen: „Jawohl!“ Und ich sage: „Es geht besser.“ Ich bin immer wieder bestraft worden. Eine der abartigsten Bestrafungsmethoden war, dass sie mir meine Orden abgenommen haben.
Eismayer: Er war bei der Garde Exerziermeister, musste 120 Leute in Schach halten. Die Kompanie war perfekt adjustiert. Und wer fehlte? Er! Für das Zuspätkommen gibt es kein Pardon. Für das Zuspätkommen musste er nackt ausrücken. Also ohne Orden. Mario, weil er Militarist ist, ist stolz auf seine Auszeichnungen. Ab diesem Zeitpunkt hat es militärisch gepasst.
Herr Eismayer, Sie gelten als berühmter wie berüchtigter Ausbildner. Stimmt es, dass, wer Ihrem Blick nicht standhält, die sogenannte Augen-Disziplin nicht einhält, nicht nur angeschrien wird?
Eismayer: Ich versuche den Rekruten eine harte militärische Ausbildung angedeihen zu lassen. Für mich zählt Leistung. Wenn jemand eine Superleistung bringt, kann er alles haben. Wenn jemand einen Schleichweg versucht, stelle ich mich dazwischen. Ein Auftrag. Eine Durchführung.
Es geht die Legende, Sie hätten mit einer Panzerfaust eine Kuh zerschossen.
Eismayer: In Allentsteig rennen nun mal Kühe. Diese Kuh hat die Sperre missachtet. Aber die Kuh war kein Zielaufbau. Glauben Sie nicht alles, was sie hören!
Falak: Genau. Egal, wie hart die Ausbildung ist – das Leben ist härter. Oft wird nach der Motivation des Berufs gefragt. Bei mir, das ist 14 Jahre her, ist es die Möglichkeit, Menschen zu helfen, so wie mir und meiner Familie geholfen wurde. Ich komme aus Sarajevo, Bosnien-Herzegowina. Ich bin Kriegsflüchtling. Wir sind im Zuge der Kampfhandlungen aus Bosnien geflüchtet. Zuerst meine Schwester und ich, dann meine Eltern. Die Möglichkeit der Flucht hat sich durch die UN-Soldaten ergeben, die für einen Gefechtsstillstand gesorgt haben. Meine Motivation als Soldat ist es auch, mit Auslandseinsätzen anderen Menschen zu helfen.
Zurück zu Ihrer Beziehung. Nach Liebe auf den ersten oder zweiten Blick klingt das alles nicht.
Falak: War es auch nicht. Im Oktober 1999 haben wir uns kennengelernt, 2004 sind die ersten Funken geflogen als ich meinen Cousin, der mich in der Kaserne besucht hat, zur Verabschiedung, wie das bei uns üblich ist, auf die Wange geküsst habe. Das hat Charles gesehen und gefragt: „Kriege ich denn keinen Kuss?“ „Natürlich kriegen Sie einen Kuss“, habe ich gesagt und ihm ein Busserl auf die Wange gegeben.
Eismayer: Wirklich begonnen hat alles bei einem Abendessen. Ein Mal pro Monat haben wir uns dann über das Wochenende gesehen. Und das über Jahre.
Falak: Und am nächsten Tag habe ich mir immer Vorwürfe gemacht, weil ich nicht akzeptieren konnte und wollte, dass ich schwul bin. Ich bin mit Mädchen ausgegangen, nur um mir das Gegenteil zu beweisen. Und vor vier Jahren, so mit 30, habe ich mich dann getraut.
Eismayer: Uns trennen 23 Jahre. Das Schönste, das Mario gesagt hat, war: „Wenn du als Eismayer schwul sein kannst, traue ich mich auch!“ Und so war es dann auch.
Wer traute sich, um die Hand des anderen anzuhalten?
Falak: Ich! Vor zwei Jahren waren wir zum Jahreswechsel in Dubai. Ich habe bereits in Wien die letzte Aufzugsfahrt im Burj-Khalifa gebucht. Auf der Spitze des Wolkenkratzers wollte ich ihm einen Antrag machen, aber ich dachte mir schon, dass es an Silvester zu stressig wird, also habe ich die Ringe im Hotel gelassen. Dann habe ich ihn drei Tage lang drangsaliert, war unausstehlich, so, dass er schon den Urlaub abbrechen wollte. Dann sind wir am Abend zum Strand. Als Charles auf einer Bank gesessen ist, habe ich mich vor ihn hingekniet, die Ringe ausgepackt, ihn gefragt und dann habe ich gesagt, dass wir auch festgenommen werden können!
Eismayer: In Dubai ist Homosexualität ja illegal. Da habe ich gesagt: Solange wir in eine Zelle kommen! (lacht)
Nachdem Sie vermeintlich eine Lanze für Homosexualität beim Heer gebrochen haben: Denken Sie, es wäre in Österreich möglich, einen homosexuellen Verteidigungsminister zu haben? Oder, dass, wie in Deutschland Ursula von der Leyen, eine Frau den Truppen vorsteht?
Falak: Durchaus! Ganz unabhängig vom Bundesheer. Österreich ist ein liberales, demokratisches Land. Wenn unser Outing anderen Menschen Mut geben kann, sich zu bekennen, wäre das schön.
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