Naturschutzgebiete in Österreich schon 20 Jahre überfällig

Weiteren Nominierungsbedarf gibt es etwa bei Bergmähdern
Ende Juni verhandeln Bundesländer und EU über finale Liste an Natura-2000-Gebieten

Die Idee erscheint plausibel: Mit einem EU-weiten Netzwerk an Schutzzonen soll gesichert werden, dass das europäische Naturerbe erhalten bleibt. Das geht von Pflanzen über Tiere bis zu erhaltenswerten Lebensräumen. Die Nationalstaaten sind verpflichtet, ihren Anteil zu leisten und genügend Natura-2000-Gebiete auszuweisen.

Österreich ist mit den Gebietsnominierungen seit 20 Jahren überfällig und säumig“, sagt Franz Maier, Präsident des Umweltdachverbandes, und macht das an einem Datum fest. Am 10. Juni 1998 lief die von der EU nach dem Beitritt Österreichs 1995 gesetzte Frist zur Bekanntgabe von Schutzgebieten für das Natura-2000-Netzwerk ab.

Vollständig ist die Liste nach Ansicht der EU-Kommission bis heute nicht, weshalb sie 2013 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Republik eingeleitet hat. Österreich drohen, wie berichtet, je nach Rechenmodell Strafzahlungen von bis zu 280.000 Euro täglich. Die Säumigkeit könnte in Summe also Millionen kosten.

Nachholbedarf

Maier gesteht zu, dass seit dem Start des Vertragsverletzungsverfahrens einiges in Bewegung gekommen ist. 93 Gebiete mit einer Fläche von insgesamt knapp 14.600 Hektar wurden seit 2013 nachgemeldet. Maier ortet aber immer noch Lücken im Netzwerk. In Österreich würden 15,5 Prozent der Landesfläche unter Natura-2000-Status stehen, der EU-Schnitt liege bei 18 Prozent.

„Wir erkennen die Bemühungen der Bundesländer an. Aber der Gebietsfestlegungsprozess muss jetzt endlich abgeschlossen werden. Durch die lange Phase des Gezerres ist diese große Idee bereits in eine schiefes Licht geraten“, sagt der Umweltdachverband-Präsident. Der Widerstand aus den für die Nominierungen zuständigen Bundesländern war – wie mehrfach berichtet – teilweise erheblich. „Das Land Tirol wird keine neuen Gebiete nachnominieren“, hat Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) 2017 mehrfach bekundet, nachdem die EU-Kommission mit einem 161 Seiten dicken Katalog mit potenziellen Schutzgebieten in ganz Österreich für Aufregung gesorgt hatte.

Tiroler Blockade

Die schwarz-grüne Landesregierung will auf ÖVP-Druck an dieser Haltung dem Vernehmen nach im Wesentlichen festhalten. Das wurde auch im Koalitionspapier nach den Landtagswahlen im Frühjahr so festgeschrieben. Nachnominierungen soll es demnach nur geben, wenn diese „zwingend notwendig werden“. Wie die EU-Kommission darauf regiert, wird sich am 25. Juni weisen. Da kommt es zum großen Showdown in Brüssel.

Um noch zu einer gütlichen Lösung im millionenschweren Rechtsstreit zu kommen, hat die Kommission in den vergangenen Monaten mit allen Bundesländern einzeln bilaterale Gespräche geführt. In Brüssel kommt es nun zu einer Paketsitzung mit allen Beteiligten.

„Wenn diese Sache nicht ordentlich abgearbeitet wird, wird es zu einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof kommen“, hatte der oberösterreichische Naturschutzreferent Manfred Haimbuchner (FPÖ) Anfang des Jahres im KURIER-Gespräch erklärt, was auf dem Spiel steht.

Was Tirol betrifft, fordern Umweltschützer seit Jahren, dass Schwemmländer am Piz Val Gronda in Ischgl sowie die Isel mit ihren Zubringern in Osttirol in ihrer Gesamtheit (und nicht wie von der Landesregierung geplant in Teilen) geschützt werden. „Auch bei den Bergmähdern muss etwas passieren“, ortet Maier Nachholbedarf beim Schutz dieser alpinen Kulturlandschaften.

Darum geht es bei Natura 2000

Die Idee: Die Natur und ihre Bewohner kennen keine Landesgrenzen. Das europäische Schutzgebietsnetzwerk Natura 2000 soll helfen, wildlebende Tier- und Pflanzenarten und wertvolle Lebensräume in Europa auf Dauer zu erhalten. Die EU-Mitgliedsstaaten sind dazu verpflichtet, ausreichend Schutzgebiete zu nominieren.


Der Konflikt:In Österreich sind die Bundesländer für die Nennung der Gebiete zuständig. In der Vergangenheit gab es immer wieder Widerstand, weil sich Natura 2000 teilweise mit anderen Interessen spießt. Naturschützer wollen etwa die Isel und ihre Zubringer in Osttirol unter Schutz sehen, wo es mehrere Kraftwerksprojekte gab.

Der aktuelle Status: 2013 hat die EU-Kommission gegen Österreich ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet, weil sie Lücken im Natura-2000-Netzwerk
ortet. Die Bundesländer haben seither mehrere Gebiete nachnominiert. Aber die EU drängt auf weitere. Am 25. Juni gibt es eine Paketsitzung zwischen der Kommission und den Bundesländern.

 

 

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