Schubhaftzentrum: Volksanwaltschaft prüft Jobteilung

Bis zu 200 Schubhäftlinge sollen in der neu errichteten Anlage im obersteirischen Vordernberg untergebracht werden.
Unklare Passagen im Vertrag zwischen Gemeinde und Sicherheitsfirma wegen Schubhaftzentrum

Die Botschaft ist deutlich: Die Volksanwaltschaft „hegt Bedenken in Bezug auf die Zulässigkeit, bestimmte Aufgaben an die Gemeinde und private Unternehmen zu übertragen“, hieß es gestern. Deshalb werden Vergabe, Verträge und Aufgabenteilung im Schubhaftzentrum Vordernberg geprüft.

„Das Verfahren wird sich dabei auf die Frage konzentrieren, in welchem Umfang Leistungen durch die Polizei zu erbringen sind“, erläutert Volksanwalt Günther Kräuter. „Und wie die Vorgangsweise menschenrechtliche Gewährleistungspflichten berührt.“ So sieht die Aufgabenteilung vor, dass Gesundheitsprävention und Gewalt- und Konfliktvorbeugung durch Private erfolgt. Überprüft wird auch, welche Kontrollrechte das Ministerium eigentlich in den Bereichen hat, die ausgelagert wurden.

Keine Privatisierung

Das ist wichtig, denn „eine Privatisierung polizeilicher Aufgaben ist weder verfassungsgerichtlich noch durch einfache Gesetze vorgesehen“, heißt es in der Stellungnahme der Volksanwaltschaft. Deshalb soll überprüft werden, ob der Vertrag zwischen Ministerium und Gemeinde verfassungsrechtlich zulässig ist.

Damit bestätigt das Gremium Kritiker, die seit Wochen Bedenken über die ungewöhnliche Arbeitsteilung melden. „Das ist Pfusch. Da kann man nur sagen, raus aus diesen Verträgen“, bewertet Alev Korun, Grüne, die Details rund um Betrieb und Betreuung des Schubhaftzentrums Vordernberg. Im Vertrag zwischen der Gemeinde und dem Sicherheitsunternehmen G4S gibt es nämlich erhebliche Unschärfen. Unter „Bewachung“ wird etwa privatwirtschaftliche Arbeit wie Kontrollen am Eingang genauso beschrieben wie Tätigkeit der Polizei. Der Leiter der Einrichtung würde von der G4S gestellt.

Falsch verstanden

Bürgermeister Walter Hubner nennt dies allerdings bloß „Interpretationsspielräume“. Er will sie schließen: In einem Anhang zum Vertrag zwischen Gemeinde und G4S sollen die Aufgaben von Polizei und Privaten exakt aufgezählt werden. So könnte etwa der Begriff „Eskorte“ falsch verstanden werden, glaubt Hubner: „Das ist nur die Begleitung in den Lesesaal oder zum Sport“, der „Zentrumsleiter“ der G4S meine privatwirtschaftliche Verwaltung. „Über ihm steht der Leiter des Ministeriums.“

Das müsse nun neu formuliert werden. „Das muss man auf den Punkt bringen“, gesteht der SPÖ-Ortschef ein. Neu verhandelt werden müsste der Vertrag nicht. „Wir müssen nur ein Papier schaffen, das das klärt.“

Hubner wie auch Karl-Heinz Grundböck, Sprecher des Innenministeriums, wiederholen, dass die eigentliche Bewachung der Insassen nur durch die 55 Exekutivbeamten stattfinden werde. „Unsere Vertrag mit der Gemeinde gilt, die hoheitlichen Aufgaben bleiben beim Bund“, kommentiert Grundböck.

Sollte sich im Anhang des Vertrages zwischen Gemeinde und G4S tatsächlich etwas anderes finden, sei das irrelevant. „Die Gemeine kann nicht etwas als Aufgabenbereich übertragen, das nicht im Vertrag zwischen Bund und Gemeinde vorgesehen ist.“ Die Verträge wurden übrigens vergangenen Freitag auf die Homepages der Gemeinde und des Innenministeriums gestellt.

www.bmi.gv.at

www.vordernberg.steiermark.at

Während sich Politiker anderer Gemeinden gewunden haben, wenn ihr Ort als möglicher Standort für ein Schubhaftzentrum genannt wurde, hat sich Vordernberg freiwillig gemeldet. Die Arbeitsplätze in der Region sind knapp, die Abwanderung groß. In einer Bürgerbefragung vor fast vier Jahren sprachen sich 70 Prozent der Einwohner für das Projekt aus, 60 Prozent der Wahlberechtigten nahmen an der Umfrage teil.

Eine Bedingung der Gemeinde war, dass die neuen Arbeitsplätze aus der Region besetzt werden. Bis zu 100 Jobs könnten durch das Zentrum geschaffen werden. Heuer im Juli wurde der Vertrag zwischen Gemeine und G4S unterzeichnet: Er hat ein Volumen von 68 Millionen Euro und läuft 15 Jahre lang. Die G4S fungiert dabei als Generalunternehmer.

Der Auftrag wurde EU-weit ausgeschrieben, doch die Kriterien waren eng gefasst. So musste Erfahrung in Gefängnissen oder Schubhaftzentren vorgewiesen werden, ebenso ein Mindestumsatz. Obwohl elf Interessenten die Ausschreibungsunterlagen anforderten, blieb G4S der einzige Bewerber. Der Probebetrieb startet im Jänner kommenden Jahres. Bis zu 200 Schubhäftlinge werden in Vordernberg untergebracht.

Die Abwanderungsgemeinde Vordernberg im Bezirk Leoben verblüffte im September 2009 mit seiner Bewerbung für ein geplantes Schubhaftzentrum. Davor hatte es heftige Debatten über die Standorte für ein zusätzliches Erstaufnahme- sowie ein Schubhaftzentrum im Süden Österreichs gegeben. Aus dem ursprünglich für das Schubhaftzentrum ins Auge gefassten Leoben, das schon ein Justizzentrum beherbergt, kam ein Njet.

Der Schritt Vordernbergs und seines SPÖ-Bürgermeisters Walter Hubner war von der Landespolitik durchaus gewollt und vermutlich akkordiert: Landeshauptmann Franz Voves (SPÖ) war mit der Bewerbung das Problem eines möglichen, politisch noch heikleren Erstaufnahmezentrums los. So eines hätte im südburgenländischen Eberau errichtet werden sollen, wurde aber im Februar 2010 per Bürgervotum (90 Prozent dagegen) verhindert.

Hubner schaffte es dagegen, in einer Bürgerbefragung knapp 70 Prozent hinter das Projekt zu scharen. Argumentiert wurde mit Einnahmen und Arbeitsplätzen für die Region. Die 1055 Einwohner zählende Marktgemeinde hatte mit der Zentralisierung der Eisenproduktion an wirtschaftlicher Bedeutung und seit Anfang der 1960er-Jahre nahezu zwei Drittel der Einwohnerschaft verloren.

Ganz so reibungslos verlief die Realisierung des Schubhaftzentrums dann aber doch nicht: Im Zuge der Flächenwidmungsplanänderung stellte sich heraus, dass für das ursprünglich der VA Erzberg GmbH gehörende Grundstück ein Hochwasserschutz notwendig war, für den weitere Flächen benötigt wurden. Der Baubeginn, zunächst für Herbst 2010 avisiert, verzögerte sich bis März 2012.

Im Oktober gab es für Hubner eine weitere Bewährungsprobe: Nach fast finalisierten Verhandlungen über eine neue Modellregion mit Trofaiach, Gai und Hafning - man sprach damals von einem „Testfall“ für die steirische Gemeindestrukturreform - zog er im September 2012 die Reißleine: Wenige Tage vor der Volksbefragung, die mit 81,2 Prozent Nein-Stimmen recht deutlich gegen eine Fusion ausging, änderte er seine Meinung, weil es für ein Zusammengehen noch zu früh sei.

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