Salzburg: Wo die Stadt ihre Frauen versteckt

Salzburg: Wo die Stadt ihre Frauen versteckt
Über eine Radtour zu den wenigen Straßenzügen mit weiblichen Bezügen. Verkehrsflächen, die an ehemalige Nazis erinnern, sind präsenter in der Mozartstadt
Von Uwe Mauch

Diese Tour durch Salzburg muss bei der Karolinenbrücke starten. Diese bayerische Prinzessin und vierte Ehefrau von Kaiser Franz I., Caroline Auguste (1792 – 1873), gilt als Wohltäterin in Salzburg. Die Brücke führt über die Salzach und verbindet die südöstlichen Altstadtteile links und rechts des Flusses.

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Von der Karolinenbrücke geht es zuerst über den knapp 700 Meter langen Giselakai am rechten Salzachufer stadteinwärts. Benannt wurde das illustre Straßenstück nach der zweitältesten Tochter von Kaiser Franz Joseph I. und Kaiserin Elisabeth, Erzherzogin Gisela (1856 – 1932).

Giselas Bezug zu Salzburg ist ein wenig an den Haaren herbeigezogen: Nach der Heirat mit einem Cousin zweiten Grades, Prinz Leopold von Bayern, hatte sie mehr mit München am Hut. Aber gut.

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„Nur 36 von 566“

Nicht zufällig wartet beim „Hotel Stein“ die Historikerin Sabine Veits-Falk auf den Stadtradler. Als Leiterin des Stadtarchivs hat sie intensiv zu einem öffentlichen Missverhältnis gearbeitet: „Nur 36 von 566 Verkehrsflächen, die nach Einzelpersonen benannt sind, erinnern an eine Frau.“

Das entspricht nur 3,1 Prozent, womit man nicht einmal mit Graz oder Linz (beide Städte sind auch keine Gender-Hochburgen) mithalten kann. Zugleich gibt es in Salzburg knapp 50 Straßennamen mit den Namen von Männern, die alle Mitglieder der NSDAP waren.

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Weiter führt die Radtour von der Staatsbrücke entlang des linken Ufers der Salzach in den Vorstadtbezirk Lehen. Dort wurde in den 2010er-Jahren ein neues Wohn- und Arbeitsquartier errichtet, das „Stadtwerk“. Dessen zentraler Platz trägt schon seit 2008 den Namen von Inge Morath (1923 – 2002). Nach dem Krieg begann die Grazerin in Salzburg als Journalistin, ehe sie nach Paris übersiedelte, wo sie bei der Fotoagentur Magnum ihre Karriere als famose Fotografin begann.

Der „Fotohof“, Galerie und Verlag für künstlerische zeitgenössische Fotografie, ist auf dem Platz mit viel Beton ein weiterer Bezug zu Morath.

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Um die Altstadt kann man bei dieser Tour getrost einen weiten Bogen machen. Dort fehlen weibliche Straßennamen ganz. „Es gibt immerhin das Bewusstsein, dass wir das ändern müssen“, erläutert Stadthistorikerin Veits-Falk. Doch das Thema hat – so wie in anderen Städten auch – einen Haken: „Bestehende Verkehrsflächen umzubenennen, ist immer schwierig.“

Erschwerend kommt die Realpolitik hinzu: Sabine Veits-Falk gehörte jener Kommission an, die bei 13 NS-Straßennamen dringenden Diskussionsbedarf anmeldet, zu belastend wirken die Fakten auf die Männer mit ihrer NS-Vergangenheit. Im Salzburger Gemeinderat wurde jedoch ein diesbezüglicher Antrag mit knapper Mehrheit abgelehnt. Die Historikerin blickt in Richtung Sonntag: „Mal sehen, wie es nach den Wahlen weitergeht.“

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Hinter dem Milchhof

Weiter auf dem Fahrrad nach Norden: Hinter dem Milchhof im Stadtteil Itzling beginnt einer der wahrscheinlich unhübschesten Straßenzüge Salzburgs. Seit 2007 trägt er den Namen der Medizinerin Rosa Kerschbaumer. Weil sie in Russland (als Raissa Schlykowa) geboren wurde, dann in der Schweiz Medizin studierte und einen Österreicher ehelichte, durfte sie von 1890 bis 1896 mit einer Sondererlaubnis von Kaiser Franz Joseph in Salzburg als Augenärztin ordinieren. Sie gilt damit als die erste Ärztin, die in Österreich tätig war.

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Die nur 800 Meter lange Ausfallstraße ist keine Augenweide. Immerhin schafft es die Rosa-Kerschbaumer-Straße öfters ins Radio, weil es auf ihr in den Morgen- und Abendstunden gerne zu Staus kommt. „Kein Denkmal kann so viel Aufmerksamkeit bieten“, betont die Historikerin Veits-Falk mit einem Augenzwinkern. Sie will sich auch nach dem 8. März für Frauen-Straßennamen einsetzen.

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