Rundgang im hässlichsten „Häfn" des Landes
Das 19. Jahrhundert. In Abteilung 1, Zelle 2, der Justizanstalt (JA) Klagenfurt reichen für eine Zeitreise fünf Schritte.
Schritt eins: Durch die beige Zellentür mit aufgemaltem Fadenkreuz; zwei: vorbei an der Toilette, keine Dusche; drei: der Spind, der einen wissen lässt, dass nur Mutti anständig ist. Vier: Stockbett mit Wäschekörben darunter; Schritt 5: Vergittertes Fenster.
Ende der Zellentour.
Willkommen an jenem Ort, dem Justizministerin Alma Zadic (Grüne) das Prädikat „die hässlichste Justizanstalt in Österreich“ verlieh.
Fünf Worte, die nach nur fünf Schritten nachvollziehbar sind. Neun Quadratmeter misst die Zelle, die sich zwei Männer teilen. 22 Stunden am Tag, sind sie hier eingesperrt. Zwei Fremde, für die maximale Dauer von 2,5 Jahren. Länger bleibt niemand in der JA Klagenfurt.
Vollzug hinkt nach
„Das Gefängnis ist nicht mehr zeitgemäß, es wurde 1857 gebaut, das sind knapp 170 Jahre. Seither hat sich die Gesellschaft weiterentwickelt und der Strafvollzug hinkt hinten nach. In Klagenfurt hinkt er leider sehr viel“, sagt jener Mann, den die Herren aus der Fünf-Schritte-Zelle nur mit Herrn Oberst begrüßen: Josef Gramm, neuer Leiter der Justizanstalt Klagenfurt.
Vor seinem Wechsel in den Süden des Landes war er in Österreichs größtem Gefängnis, der Justizanstalt Josefstadt. Häftlingszahl: 1.100. Klagenfurt: 350. Eines eint die Gefängnisse aber: Beide sollen neu gebaut werden.
In Klagenfurt ist aus dem „soll“ ein „wird“ geworden. Nach der Projektvorstellung im Jahr 2020, wird 2024 der Spatenstich erfolgen. Kosten: 170 Millionen Euro. Um 70 Millionen mehr als geplant.
50 Millionen hätte die Generalsanierung das aktuellen Gefängnisses gekostet. „Aber wir hätten keinen Quadratmeter mehr Platz gewonnen“, sagt Gramm während eines Rundgangs.
Vorbei an der Tischlerei, der Schlosserei, der Autowerkstätte. Letztere ist bei vielen Hobbybastlern größer. 100 von 300 Insassen haben die Erlaubnis zum Arbeiten. Für mehr ist kein Platz.
Im neuen Häfn soll sich das ändern. Jeder Häftling hat dann zwölf Quadratmeter in der Zelle für sich allein.
Fast drei Mal so viel wie jetzt. „Wie soll ich sonst Menschen für die Gesellschaft vorbereiten, wie für die Digitalisierung fit machen?“, fragt Gramm. In der JA Klagenfurt scheitert das Internet-Zeitalter bereits am Stromnetz.
„Das ist einfach zu schwach ausgelegt. Da fliegt immer alles“, sagt Gramm.
High-Tech ist anders
So findet der Deutschunterricht im Häfn auch nicht mit High-Tech-Unterstützung, sondern mit Flipcharts statt. Unter dem wachsamen Blick von Jesus Christus. Als Klassenzimmer dient – wegen Platzmangels – die Gefängnis-Kapelle.
Dass viele kein Verständnis für einen Fußballplatz haben, auch den gibt es mit dem Neubau, für Inhaftierte – Gramm nennt sie Menschen – weiß der 58-Jährige: „Was ist Luxus? Ist es Luxus, seine eigene Dusche zu haben? Ist es Luxus, wenn man den Menschen ein bisschen mehr Menschenwürde und Verständnis entgegenbringt?“
Gasthaus und Haft
Dass der Strafvollzug Teil der Sicherheit sei, komme an den Gasthaustischen des Landes zu wenig an, sagt der Leiter. Bevor das nächste: „Grüß Gott, Herr Oberst“, ertönt.
Um einen Tisch sitzen junge Männer und schnitzen Bio-Strohhalme. „22er“ lautet die Kurzerklärung. Entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher, die Langversion. Die meisten sind drogenabhängig und hier in der JA in einem Substitutionsprogramm.
Warum die Männer aus Zelle 2 einsitzen, ist unklar. Reglos stehen sie da, während man die fünf Schritte von Fenster, Stockbett, Spind, Toilette, Tür zurückgeht.
Glück auf wenig Platz
„Aber wissenS, ich hab Glück mit ihm“, sagt der Mann im weißen Unterhemd und deutet mit dem Kopf auf seinen Zellen-Kompagnon.
Glück, das bedeutet in einer Welt, die aus neun Quadratmetern besteht, die man sich 22 Stunden täglich mit einem Fremden teilt – Sauberkeit. „Der putzt genau so gern wie i.“
Ob sie den Neubau herbeisehnen? „Nochmal in Häfen geh i net. So schön kann der gar net sein.“
Kommentare