Wienerin durch Blutkonserve mit HIV angesteckt

Eine Blutkonserve, aufgenommen am Dienstag (25.08.2009) in einem Labor der Uniklinik Aachen. Nach Einschätzungen von Experten kommen von den rund zwei Millionen regelmäßigen Blutspendern in den nächsten Jahren viele altersbedingt nicht mehr infrage. Deshalb müsse man um Nachwuchs werben, stellte die Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung (BZgA) nun am Rande einer bundesweiten Nachwuchs-Werbekampagne fest. In Deutschland werden nach BZgA-Angaben täglich 15 000 Blutspenden für Schwerkranke, Unfallopfer und Operationen gebraucht. Foto: Felix Heyder dpa/lnw +++(c) dpa - Bildfunk+++
Eine vom Österreichischen Roten Kreuz gelieferte Blutkonserve infizierte eine Spitalspatientin.

Es steht in jedem Informationsblatt, das einem vor einer Operation vorgelegt wird. Doch es sind genau die Dinge, von denen man immer denkt, dass sie nie passieren – und wenn, dann nur den anderen. Eine Wienerin (Details zu ihrer Person wurden aus Datenschutzgründen nicht bekannt gegeben) ist nun einer dieser ganz wenigen Fälle. Sie wurde im Hietzinger Spital durch eine Bluttransfusion mit dem HI-Virus infiziert. 1 zu 2,5 Millionen seien die Chancen, hatte es geheißen. Ein Lottosechser ist wahrscheinlicher.

„Ich habe ihr gesagt, dass sie eine gute Lebensqualität haben wird und ein normal langes Leben, das hat sie wieder aufgerichtet“, sagt Primarius Norbert Vetter vom Otto-Wagner-Spital, wo die Wienerin am Mittwoch mit der Horrornachricht konfrontiert wurde: HIV-positiv. Nicht durch eine Drogennadel, nicht durch riskanten Geschlechtsverkehr, sondern durch eine Blutkon­serve.

Anfang Jänner nahm das Schicksal seinen Lauf. Ein Spender hatte sich mit dem Virus angesteckt und war am 10. Jänner zu einer Blut­spende gegangen. Die Blutbank für Wien, Niederösterreich und Burgenland führte routinemäßig einen PCR-Test nach HIV durch. Der war jedoch negativ. Denn zwischen Ansteckung und Nachweisbarkeit liegen neun Tage. „Den Zeitraum nennt man „diagnostisches Fenster“, sagt Rot-Kreuz-Generalsekretär Werner Kerschbaum. „Das Risiko, so eine Transfusion zu erwischen, ist niedriger als das normale Narkose­risiko.“ Das bestätigt auch Vetter: „Das musste irgendwann einmal passieren.“

Magenblutung

Ende Jänner war die Wienerin jedenfalls mit einer Magenblutung im Hietzinger Spital. Dabei wurde ein Bluttest gemacht und ihr bei der folgenden Operation eine Blutkonserve verabreicht. Als die Frau Mitte Februar wieder Schmerzen im Bauch hatte, wurde in Hietzing erneut ein Blutbefund gemacht – dort wurde sie positiv auf das HI-Virus getestet. Daraufhin wurde der Weg des Blutes zurückverfolgt und auch der Spender getestet. Dabei stellte sich mit einem genaueren Test heraus, dass beide das Virus in sich tragen. Auch der Spender wusste noch nichts davon.

Warum der genauere Test nicht immer durchgeführt wird, erklärt Kerschbaum so: „Er ist nicht teurer, aber der PCR-Test braucht einen Tag und dieser etwa drei Tage. Wobei der genaue Test bei einer Massenanwendung noch weit länger brauchen würde.“ Und eine Blutkonserve ist nur 42 Tage haltbar.

14-mal HIV im Blut

Bereits vor 15 Jahren hatte es einen ähnlichen Fall gegeben. Dieser Patient sei aber nicht an Aids gestorben, sondern an der eigentlichen Erkrankung, sagt Universitätsprofessor Wolfgang Mayr, Berater des Roten Kreuzes. Seither wurden sechs Millionen Blutkonserven verabreicht und 14 davon wegen einer HIV-Erkrankung vernichtet. Natürlich ist nicht immer nachvollziehbar, ob es nicht einen ähnlichen Fall gegeben hat, in dem der Ursprung des Virus nicht einwandfrei geklärt werden konnte.

Die aktuell Betroffene erhält Unterstützung von einem mit Millionen dotierten Fonds des Roten Kreuz. Wie hoch die Entschädigung sein wird, ist noch unklar, das werden die Beiräte erst im Laufe des Jahres entscheiden. Alle zuständigen Behörden wurden laut Kerschbaum informiert, die Staatsanwaltschaft allerdings nicht: „Es gibt hier kein schuldhaftes Verhalten“, sagt der Rot-Kreuz-Chef. Dass diese Gefahr bestünde, sei eben in dem vor der Operation unterschriebenen Patientenblatt so zu lesen.

Wienerin durch Blutkonserve mit HIV angesteckt

Primarius Norbert Vetter ist der Vorstand der zweiten Lungeninternen Abteilung im Wiener Otto-Wagner-Spital. Er gilt als Experte für HIV-Erkrankungen und behandelt seit Mittwoch auch jene Wienerin, die nun durch eine Bluttransfusion im Hietzinger Spital angesteckt wurde. Im Interview mit dem KURIER spricht er darüber, wie es der Frau geht und was ihr nun noch bevorstehen wird.

KURIER: Wie geht es der Frau?

Vetter: Sie hatte bisher keine akuten Symptome. Eine HIV-Infektion äußert sich normalerweise ähnlich wie ein grippaler Infekt, davon war bisher allerdings noch keine Spur bei ihr.

Wie hat sie die Nachricht aufgenommen?

Ich habe ihr gesagt, dass sie eine gute Lebensqualität haben wird und ein normal langes Leben, das hat sie wieder aufgerichtet. Auch ihre Angehörigen habe ich bei dem Gespräch informiert.

Was steht der Wienerin nun als Nächstes bevor?

Das HI-Virus befällt vorwiegend Zellen, die für die Immunabwehr verantwortlich sind. Es kommt zu einem Immundefekt, das Vollbild von Aids kann ausbrechen – möglicherweise allerdings erst nach vielen Jahren.

Wie wird die HIV-Infektion nun therapiert?

Zunächst bekommt die Frau eine antiretroviale Therapie aus drei Medikamenten. Sie hat nun sicherlich eine jahrzehntelange Behandlung vor sich. Allerdings sterben die meisten Patienten heutzutage nicht mehr an der Krankheit selbst.

Hätte man so einen Fall ver­hindern können?

Das musste einmal passieren, schon aufgrund der statistischen Wahrscheinlichkeit. Ein gewisses Risiko besteht bei jedem medizinischen Eingriff.

Die unheilbare Krankheit Aids wird durch das Humane Immunschwächevirus (HIV) verursacht. Es wird vor allem durch ungeschützten Geschlechtsverkehr und infizierte Injektionsnadeln übertragen. Das Virus ist sehr wandlungsfähig. Der Erreger legt unter anderem bestimmte Immunzellen lahm. Deshalb kann das Abwehrsystem des Körpers Krankheitserreger wie Bakterien und Viren nicht mehr wirkungsvoll bekämpfen. Selbst an sich harmlose Infektionen können so zur tödlichen Bedrohung werden.

Nach einer erkannten HIV-Infektion lassen sich Ausbruch und Symptome von Aids ("Acquired Immune Deficiency Syndrome", erworbene Immunschwäche) in Industrieländern heute mit verschiedenen Medikamenten bekämpfen. Sie verhindern die Vermehrung des Erregers im Blut, können ihn aber nicht aus dem Körper entfernen. Lebensqualität und Lebenserwartung von Patienten sind durch diese Therapien deutlich gestiegen. Da es die Medikamente aber erst seit rund 15 Jahren gibt, können Forscher Langzeiterfolge noch nicht einschätzen.

Eine HIV-Infektion kann über Blut oder Blutprodukte erfolgen. In Österreich sind zwar alle Blutkonserven getestet, aufgrund des diagnostischen Fensters liegt die Wahrscheinlichkeit, eine HIV-positive Blutkonserve zu erhalten, allerdings bei ungefähr 1:1,500.000 bis 1:3,000.000. Etwa 3,4 Prozent der Bevölkerung sind Spender.

Blut durchläuft nach der Abnahme vom Spender mehr als 15 Tests. Geregelt sind diese Parameter durch das Blutsicherheitsgesetz. Darin ist auch die freiwillige und unbezahlte Blutspende festgeschrieben. Dieses ethische Prinzip spielt im Hinblick auf die Sicherheit eine bedeutende Rolle. Blutprodukte von unbezahlten Spendern gelten als die sichersten.

Blut kann nicht künstlich hergestellt werden, daher ist das Rote Kreuz auf die regelmäßigen freiwilligen Spender angewiesen - die Konserven sind nur begrenzt haltbar: Produkte mit roten Blutkörperchen halten maximal 42 Tage, ein Konzentrat mit Blutplättchen ist nur bis zu fünf Tage verwendbar.

3,4 Prozent der Bevölkerung spenden regelmäßig Blut und sorgen damit für eine flächendeckende Versorgung in ganz Österreich. Pro Minute wird eine Blutkonserve benötigt, 450.000 werden im Jahr von Krankenhäusern angefordert. Vor allem im Sommer drohen immer wieder Engpässe.

Mehr Neuinfektionen

Die Zahl der Neuinfektionen mit dem HI-Virus ist in ganz Österreich zuletzt um rund 3,5 Prozent angestiegen. Die Angaben, wie viele Menschen hierzulande insgesamt mit dem Virus leben, sind unterschiedlich. Das Gesundheitsministerium schätzt die Zahl auf rund 6.000 bis 10.000 Menschen. Laut Aids-Hilfe Wien dürfte die Zahl angesichts einer hohen Dunkelziffer bei 12.000 bis 15.000 liegen.

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