Radikalisierung: Tiktok-Predigern geht es um Klicks und Geld

Radikalisierung: Tiktok-Predigern geht es um Klicks und Geld
Statt langatmiger Vorträge bieten sie knackige Antworten – und machen so Stimmung.

Mit radikalisierten Menschen hat der Verein Derad täglich zu tun. Derad betreut sie, wenn sie mit dem Gesetz in Konflikt gekommen sind. Nicht nur im Gefängnis. Auch, wenn das Gericht ein Deradikalisierungsprogramm anordnet. Von 50 „Gefährdern“, also Personen, die vor Gewalttaten nicht zurückschrecken, war vor Kurzem allein in Wien die Rede.

Kein neues Phänomen

Waren es früher noch radikale Moscheen, in denen etwa für den IS geworben wurde, reicht heute ein Blick ins Internet. Dort verbreiten bärtige Männer ihre fragwürdigen Botschaften. Auf Youtube genauso wie auf Instagram oder Tiktok. „Diese Influencer Preacher sind kein neues Phänomen. Es gibt sie, seit es das Internet gibt“, erklärt ein Derad-Mitarbeiter.

Doch sie haben sich angepasst.

Statt langatmiger Predigten gibt es ihre „Weisheiten“ jetzt kurz und knackig. Auch zu Themen, die man nicht unbedingt vermuten würde. Etwa: Dürfen Männer Nagellack tragen? Oder: Ist Augenbrauen Zupfen erlaubt?

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„Unter den Jugendlichen sind diese Influencer Preacher durchaus bekannt. Wir werden auch in Schulworkshops auf sie angesprochen“, erklärt der Deradikalisierungsexperte. Die bekanntesten im deutschsprachigen Raum stammen übrigens aus Deutschland.

Derads Urteil über die selbst ernannten Tiktok-Experten? „Da geht es in erster Linie um Klicks und Geld. Einer von denen fährt mit einem Mercedes herum.“ In die Tiefe gehen diese Prediger nicht: „Sie erstellen 15-Sekunden-Rechtsgutachten.“

Von Vorgängern gelernt

Die neue Generation an Predigern hat allerdings von ihren Vorgängern gelernt. Sie weiß, wo die Grenzen des Strafrechts sind. Haben die Vorgänger oft noch offen über das Schlachten der „Ungläubigen“ fabuliert – und wurden zu Haftstrafen verurteilt – achtet die junge Generation auf ihre Wortwahl – und macht trotzdem gleichzeitig Stimmung.

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Etwa gegen Homosexuelle. „Jede Form, die einer traditionellen Familie widerspricht, wird abgelehnt“, sagt der Derad-Mitarbeiter – auch unter Berufung auf den Koran. Und dort ist (genauso wie in der Bibel, Anm.) über den sündigen Ort Sodom zu lesen, dessen Volk von Gott vernichtet wird.

Die Ablehnung von Homosexualität ist allerdings kein islamistisches Spezifikum. „Auch in rechten Kreisen oder bei anderen extremistisch-religiösen Strömungen ist das zu finden.“

Eine konkret steigende Gefahr durch Islamisten sieht man aktuell nicht. Nachsatz: „Aber die Gefahr war immer da und sie hat nie aufgehört.“

 

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