Punschhäferln als neue Goldgrube für Diebesbanden
Wenn sich, wie diese Woche in Zagreb, Polizisten aus Österreich und vom Balkan treffen, dann werden mitunter brisante Informationen ausgetauscht. So wechselt beim Essen eine Serviette den Besitzer, auf der der Name eines Menschenhändlers in Wien zu finden ist.
Oder es wird eine Warnung ausgesprochen. Aus Bosnien kam diesmal der Hinweis, dass derzeit Kinderbanden ausgebildet werden, um auf österreichischen Weihnachtsmärkten auf Beutezug zu gehen. Die Objekte der Begierde sind vor allem die mit bis zu 5 Euro Pfand belegten Punschhäferln. Vermutlich bei nachgebauten Ständen wurden die minderjährigen Mädchen und Burschen ausgebildet. "Der Vorteil dabei ist, dass die meisten Besucher bei so geringen Beträgen nicht die Polizei rufen", erklärt Oberst Gerald Tatzgern vom Bundeskriminalamt.Das beim Häferl-Umtausch eingenommene Geld ist in Osteuropa viel mehr wert, in Moldawien etwa leben ganze Familien von 90 Euro im Monat. Das entspricht – je nach Weihnachtsmarkt – dem Pfand für ein bis zwei Dutzend Tassen. Deshalb schicken organisierte Banden Trickdiebe (aber auch Taschendiebe und Bettler) mit immer ausgeklügelteren Methoden nach Österreich.
Ausgenutzt
Die dafür eingesetzten Osteuropäer seien keine echten Kriminellen, sondern großteils selber Opfer der Banden, betont Tatzgern. "Vor allem die Minderjährigen. Alleine bosnische Kinder haben heuer in Österreich mindestens 800 Taschendiebstähle begangen." Aufgegriffene Kinder werden zur "Drehscheibe", einer sozialpädagogischen Betreuungsstelle der Stadt Wien, und später in ihre Heimat zurückgebracht.
Hinter dieser Bandenkriminalität stecken zwei in Europa sehr mobile Familien-Clans. Arme Balkan-Bewohner vom Land verkaufen ihre Kinder und Väter an derartige Gruppierungen, berichtet ein Vertreter des rumänischen Innenministeriums. Diese werden dann zum Stehlen oder – wenn sie Behinderungen haben – als Bettler eingesetzt. "Die Banden schicken die Opfer am Ende zu unserer Botschaft in Wien und lassen sie auf Staatskosten zurückbringen", sagte der rumänische Beamte.
Alleine rund um eine organisierte rumänische Bettler-Gruppierung wurden in Wien 70 Wohnungen und 1100 Bettler entdeckt. "Die Betroffenen können den Hintermännern Tausende Euro im Monat bringen, dürfen selbst aber meist nur rund 100 Euro behalten", sagt Tatzgern. Drei Rumänen etwa wurden kontrolliert, als sie den Münzzählautomaten einer Bank demolierten, weil dieser ihre 4000 Euro in kleinen Münzen nicht bewältigen konnte. "Das haben wir in einer Woche mit Betteln verdient", sollen sie der Polizei gesagt haben.
Ermittlungsmethoden
Das Problem ist, dass die eingesetzten Bettler daheim gar nichts verdienen würden. 100 Euro im Monat seien für sie ausreichend, deshalb würden sie die Hintermänner auch nicht anzeigen wollen und verleugnen oft, dass sie dazu gezwungen werden. Das sorge auch bei Richtern und Staatsanwälten für Probleme, wenn es keine Opfer gibt. Dennoch wird die tatsächliche Rechtssprechung zunehmend strenger. In Kroatien etwa müssen erwischte Bettlerbanden das eingenommene Geld bei einem Schuldspruch als Geldstrafe an den Staat zurückzahlen.
Die Polizei versucht dem mit internationaler Vernetzung entgegenzuwirken, aber auch mit neuen Methoden. So werden in Österreich Beamte mit Migrationshintergrund eingesetzt, die dadurch einerseits verdeckt ermitteln können und andererseits Vertrauen bei Befragungen bringen.
Kommentare