„Reingebracht“ hat er der 62-Jährige aber noch viel mehr Delinquenten. „Das Liebenauer Stadion geht sich da schon fast aus“, witzelt Wlasak. Zu seinem 50. Geburtstag bekam er ein Buch mit 5.500 Namen, die er vorerst nicht zuordnen konnte: Namen von Angeklagten, die Wlasak – der sieben Jahre lang auch Gendarm war – in seiner Richterlaufbahn ab 1987 zu Haftstrafen verurteilt hatte.
Ein Geschenk von Beamten, nicht ohne Galgenhumor überreicht: „Wenn’s dich einmal erschießen, ist das unser Ermittlungsansatz“, erinnert sich Wlasak und lacht selbst, auch wenn Morddrohungen in seinem Beruf dazu gehörten: Der Grazer legte sich mit dem kolumbianischen Drogenkartell an und verurteilte Dschihadisten.
In Unterwegers Zelle
Er kam auch mit Jack Unterweger in Berührung: Eine der Prostituierten, die Unterweger ermordet haben soll, kannte Wlasak aus einer ehrenamtlichen Tätigkeit in der Vinzenzgemeinschaft. Wlasak war zudem jener Richter, der Dienst hatte, als Unterweger tot in seiner Zelle gefunden wurde – Unterweger hat sich nach der erstinstanzlichen Verurteilung wegen mehrfachen Mordes erhängt.
„Jack und Roswitha“ ist einer von 30 Fällen, die der 62-Jährige in seinem aktuellen Buch nacherzählt, echte Prozesse, nur die Namen der Protagonisten sind geändert.
So tritt Richter Wlasak als Richter Wasakowski auf, er erzählt Geschichten vom Bezirksgericht bis hin zum Straflandesgericht Graz. „Im Strafbereich ist der Richter immer der böse und ich war immer der böseste“, sinniert Wlasak. „Aber mich berührt jeder Häftling, auch wenn ich das nicht so rüberkommen lasse. Ein Angeklagter ist ja auch nur ein Mensch, der irgendwann einen Fehler gemach hat.“ Alkohol, Drogen, Eifersucht – Gewalt starte meist damit: „Wenn es den Alkohol nicht gäbe, hätten wir 70 bis 80 Prozent Einzelrichterfälle weniger.“
Zuweilen kann ein Fehler aber auch schlicht darin bestehen, dass ein vermeintliches Opfer seinen eigenen Hund nicht wieder erkennt und einen anderen beschuldigt, ihn vom Fahrrad geschubst zu haben: Da ließ Wlasak dann schon einmal sechs Schäferhunde im Gerichtssaal aufmarschieren. „Da kommt man sich vor wie im heiteren Bezirksgericht“, schmunzelt Wlasak.
Kritik am System
Weniger heiter war der Blick des 62-Jährigen bei einer Buchpräsentation in Graz auf das System Justiz an sich. „Modell Tretmühle“, merkt Wlasak an, der demnächst in Pension geht. „Die Belastung ist extrem. Ich würde es mir überlegen, ob ich heute noch einmal mit diesem Beruf anfangen würde.“ Im Verhältnis zu Leistung und Verantwortung eines Richters sei „die Bezahlung scheiße, das trau’ ich mich zu sagen. Du entscheidest ja jeden Tag über Menschenleben.“
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