Mörder, Diebe, Terroristen: Ein Richter braucht keinen Krimi

Unkonventionell: Richter Helmut Wlasak fährt mit "dem Moped" zu Ortsaugenscheinen
Helmut Wlasak verhandelt seit Jahren am Straflandesgericht Graz. Einige seiner Fälle erzählt der Jurist nun in einem Buch.

„Ich hab’ seit 40 Jahren keinen Krimi mehr gelesen. Langweilig“, betont Helmut Wlasak und schüttelt den Kopf. „Und wie die Leut’ dort umgebracht werden! Also echt . . .“

Wlasak braucht keine Fiktion, sein Berufsalltag ist Krimi genug. Seit 30 Jahren ist der Grazer Richter, 28 davon am Straflandesgericht Graz. „Ich hab’ schon alles gehabt, Schießereien, Banküberfälle, Menschenhandel, Organisierte Kriminalität, Drogen.“

Exakt 7.451 Fälle hat der 61-Jährige bisher verhandelt oder als früherer U-Richter bearbeitet, 30 von ihnen sind in seinem Erstlingswerk nun zu nachzulesen: Anfang August kam sein Buch „In allen Punkten“ heraus.

Die Namen aller Protagonisten sind (leicht) geändert, so wurde aus dem realen Strafrichter Wlasak im Buch Richter Wasakovsky, ein medienrechtlicher Kunstgriff, da Angeklagte oder Zeugen sonst erkennbar geworden wären. Doch die Fakten dahinter sind echt. Kapitel 22 („Fadil“) etwa beschreibt einen der ersten Prozesse gegen einen IS-Terroristen in Österreich, Wlasak verurteilte „Fadil“ zu acht Jahren Haft.

Eine Autobombe

Damals ist Graz an einer Katastrophe vorbeigeschrammt, wie Wlasak im Buch schreibt: Laut Verfassungsschutz wurden fünf Kilogramm Plastiksprengstoff aus einem bosnischen Sprengstofflager gestohlen. Ziel: Die „Ungläubigen“ im Landesgericht – vor dem Gericht hätte ein Auto detonieren sollen. Der schwarze SUV kam aber nicht in Österreich an.

Mit Morddrohungen hat Wlasak nicht erst seit den Dschihadistenverfahren zu tun. „18-mal ist mein Auto hergerichtet worden, zwei Mal hat es beim Haus gebrannt.“ Er habe sich eben immer „weit rausgelehnt“, resümiert der Richter, der einst nach sieben Jahren als Gendarm in die Justiz wechselte. „Russische, italienische, albanische Mafia, Drogencapos, Zuhälter. Indirekten Polizeischutz hat es da oft gegeben.“

Hauptsächlich als Drogenrichter bekannt, verhandelte Wlasak allerdings auch langwierige Wirtschaftsdelikte. Als junger Richter kam er in den 1990er-Jahren auch mit dem damals schillerndsten Beschuldigten in Kontakt: Jack Unterweger. „Ich hab’ Journaldienst gehabt, als er sich in der Zelle erhängt hat.“ Einen Zettel mit einer Notiz Unterwegers besitzt Wlasak heute noch: „Danke für die Verlängerung. Jack.“ Generell bewahrt der 61-Jährige nicht mehr benötigte Beweismittel zuweilen auf. „Ich steh’ auf solche Sachen. Die Welt ist so absurd.“

Wlasak zückt eine braun-weiße Spielzeugpistole, wie kleine Kinder sie benützen würden. „Damit hat ein Arbeitsloser versucht, beim AMS Geld zu bekommen. Und die Polizei schreibt im Bericht, der ist mit einer täuschend echten Waffe gekommen. Na geh“, wundert sich der Ex-Exekutivbeamte. „Ich hab’ mir die Waffe aber kommen lassen.“ Denn zwischen echt wirkender Attrappe und einem offensichtlichen Spielzeug liege strafrechtlich viel, mahnt Wlasak. „Da geht es um Menschen, um Schicksale.“

Im Rückblick auf bisher 30 Jahre als Richter bedauert Wlasak den zunehmend „formalistischeren Ablauf“ des Rechtssystems. „Manchmal geht es schon nicht mehr um die Sache, sondern um die feinste Juristenklinge.“

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