Tödlicher Tretbootunfall: Eltern und Verleiher schuldig gesprochen
Ein Bootsverleiher und ein Elternpaar haben sich am Mittwoch im Grazer Straflandesgericht wegen grob fahrlässiger Tötung verantworten müssen. Ein sechsjähriges Mädchen war im September in der Mur südlich von Graz ertrunken, weil ein Tretboot sank. Der Verleiher und die Eltern wurden schuldig gesprochen. Der Grazer muss eine Geldstrafe zahlen und fasste sieben Monate bedingte Haft aus, die Eltern sechs Monate bedingte Haft. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
"Wir haben uns sicher gefühlt"
Es war der 3. September, ein spätsommerlicher Tag, als die Familie im Bereich Auwiesen ein Tretboot auslieh. Weder die heute 30-jährige Mutter noch die beiden Töchter konnten schwimmen und der 36-jährige Vater sagt heute, er schwimmt „freestyle“, auch nicht sonderlich gut. Dennoch setzten sie sich in das Boot - ohne Schwimmwesten. „Ich habe darauf vertraut, dass das Boot funktioniert“, sagte der Vater zu Richter Helmut Wlasak. „Wir haben uns sicher gefühlt: Da wir es ja gemietet haben, dachte ich, dass es dafür eine Genehmigung gibt.“ Die Eltern fühlten sich nicht schuldig.
Tretboot hatte ein Leck
Das Tretboot war aber offenbar nicht fahrtüchtig. Es hatte ein Leck, war auch an anderen Stellen nicht dicht und es ließ sich offenbar nicht wenden, sagen die Eltern. Mitten auf der wegen eines Kraftwerks zurückgestauten und somit ruhigen Mur begann Wasser in das Boot einzudringen. Verzweifelt versuchten die Eltern Fußgänger am Ufer zu verständigen, damit diese Hilfe holen, aber das Tretboot sank zu schnell. „Wir haben noch geschrien, aber es waren nur Sekunden“, schilderte die Mutter unter Tränen. Letztlich ertrank die sechsjährige Tochter, die achtjährige Schwester wurde von einer Passantin aus dem Wasser gezogen und reanimiert. Sie überlebte nur knapp.
Mitangeklagt ist auch der 51-jährige Grazer: Er soll für den Verleih verantwortlich sein, ist aber eigentlich bei der Firma seines Sohnes angestellt und für den Bereich Boote zuständig. Er fühlte sich ebenfalls nicht schuldig, war selbst gar nicht immer beim Verleih vor Ort, sondern ein Bekannter gab die Gefährte aus. Er selbst habe aber mehrmals pro Woche nach seinen Booten geschaut. So auch in der Woche vor dem Unfall, als Wasser in das Innere eines seiner Boote eingedrungen war und er es auspumpen musste.
Zuletzt habe er zwei Tage vor dem Unfall eine Sichtkontrolle gemacht. Der Richter fragte, ob er da auch konkret die Dichtung zwischen der oberen und unteren Schale des Tretboots kontrolliert habe. Dieser verneinte: „Es war mir nicht bewusst, dass das Unglück dann nicht geschehen hätte können.“ Er habe darauf vertraut, dass das in China hergestellte Boot die Anforderungen an ein Tretboot erfüllt. Welche das genau seien, wusste er aber auch nicht. Eine ÖNORM gebe es dafür nicht.
Richter Wlasak wies ihn darauf hin: „Wir wissen spätesten seit der Titanic, dass ein Schiff untergehen kann.“ Er wollte vom Angeklagten wissen, ob er sagen kann, dass das Boot am 3. September fahrtüchtig war, wenn er doch an dem Tag gar nicht dort war. „Ich kann es nicht sagen“, antwortete der 51-Jährige kleinlaut. Laut Gutachter gab es auf dem Boot weder ein Typenschild, noch eine Seriennummer, es ist keine Beschreibung zu finden, wie viel Gewicht es trägt, noch gibt es andere Hinweise.
Familie konnte nicht schwimmen
Hinzu kommt, dass der Verleiher auch keine Instruktionen erteilte, nicht fragte, ob in der Familie alle schwimmen können, oder ob sie eine Schwimmweste wollen. „Ein bisserl einfach ist das schon, wie sie das dort gemacht haben“, sagte der Richter zum Angeklagten, der davor noch nie Boote verliehen hat. Der Grazer habe insgesamt drei Boote im Herbst 2020 bestellt: „Um zusammen 2.195 US-Dollar netto, made in China“, ergänzte der Richter. Im Mai 2021 wurden sie geliefert: „Ich bin davon ausgegangen, dass sie sind, wie Tretboote zu sein haben“, beteuerte der 51-Jährige einmal mehr.
Zeugen schilderten am Nachmittag, dass es schon vor dem Unfall Probleme mit den Booten gab und diese nur Tage vorher teilweise entweder halb versunken am Steg lagen oder irgendwo im Schilf herumtrieben. Der Gutachter kam zu dem Schluss, dass das Hauptproblem ein Leck in der unteren Schale gewesen sei. Durch dieses drang unter der Last der Familie mehr Wasser ein, als einfach am Steg anliegend. So fuhr die Familie damit zwar noch über eine halbe Stunde auf der Mur, aber wenn einmal zuviel Wasser im Rumpf eingedrungen ist, sei ein Sinken praktisch nicht mehr zu vermeiden.
"Husch, Pfusch"
Hinzu kam, dass die Verbindung zwischen oberer und unterer Schale nicht dicht war. Der Hergang sei aus bootstechnischer Sicht klar. Richter Wlasak begründete das Urteil: „Als Eltern hätten sie sich nicht darauf einlassen dürfen“, sprach er Vater und Mutter an, die kaum Schwimmkenntnisse haben. „Sie tragen die Hauptverantwortung für Ihren Nachwuchs.“ Noch dazu war es für die Eltern das erste Mal, dass sie in einem Tretboot saßen. Die Haftungskriterien für den Grazer Bootsverleiher seien laut Richter „erdrückend“ gewesen: „Da müssen sie schon ein Boot auspumpen und dann schauen Sie nicht einmal bei den anderen nach. Das alles ist absolut 'husch pfusch'.“
Das Hauptverschulden trage der 51-Jährige. Der Grazer muss nun 6.000 Euro Geldstrafe und den Eltern jeweils 1.000 Euro Trauerschmerzengeld bezahlen. Zudem muss er die Kosten für das Begräbnis des Kindes übernehmen. Die drei Angeklagten nahmen sich Bedenkzeit, die Staatsanwaltschaft gab keine Erklärung ab.
Kommentare