Polizist erschoss Kommandanten: 20 Jahre Haft
Vier Justizwachebeamte begleiten den Angeklagten in den Saal des Leobner Straflandesgerichts, seine Hände sind fixiert mit Fesseln, die an einem Bauchgurt festgemacht sind.
Nur acht Minuten dauert dann das Plädoyer des Staatsanwaltes, der den 46-Jährigen wegen Mordes anklagt: Vor beinahe exakt einem Jahr erschoss der Polizist seinen Vorgesetzten auf der Dienststelle, der Polizeiinspektion Trieben. Der KURIER war beim Prozess.
Der Schwurgerichtssaal ist an diesem Dienstag brechend voll, sogar zusätzliche Sessel wurden aufgestellt und dennoch finden nicht alle Zuhörer einen Platz. Viele von ihnen kommen aus Trieben, wo am 27. Februar 2023 der Polizist von seinem Kommandanten ins Büro gebeten wurde.
Das mögliche Motiv
"Ein Dienstgespräch wegen einer dienstrechtlichen Verfehlung", beschreibt der Staatsanwalt. Der Beamte soll einen Arbeitsunfall nicht korrekt dokumentiert haben, das sollte ein Ermittlungsverfahren geben. Der Angeklagte hatte da nach einem Krankenstand erstmals wieder Dienst.
"Dann hat er seine Dienstwaffe geholt und gefragt, ob man das nicht anders erledigen könne", schildert der Ankläger. Als der Vorgesetzte ablehnte, "zog er seine Waffe und feuerte vier Mal, drei Schüsse waren tödlich."
Der Ankläger schildert, dass der 59-jährige Kommandant nach dem ersten Treffer zu Boden ging und noch versuchte, zu entkommen. "Aber er hat ihm keine Chance gegeben."
Der 46-Jährige feuerte noch drei weitere Male auf das bereits verwundete Opfer - ein Schuss traf in den Kopf. "Er hatte die Absicht, den Kommandanten zu ermorden", betont der Staatsanwalt "Er hat ihn kaltblütig und brutal hingerichtet."
"Ich bekenne mich schuldig"
Was in ihm vorgegangen sei, fragt der Richter. Der Angeklagte schweigt lange. "Es ist mir nicht gut gegangen. Ich war enttäuscht über die Anzeige." Er bekenne sich jedenfalls schuldig.
Sein Verteidiger meint, es gebe "nichts zu beschönigen": Aber hinter jeder Tat stehe ein Mensch: "Bis zum 27. Februar 2023 war er ein unbescholtener Mensch im Dienste der Allgemeinheit, bei der Justizwache, der Gendarmerie, der Polizei."
Der Richter taucht auf der Suche nach einem Motiv tief in die Vergangenheit des Angeklagten ein. Beschreibt die Kindheit, die vom gewalttätigen Vater geprägt war.
Dann wieder der Sprung in die jüngste Vergangenheit, zum Tag der Tat, ins Büro des Kommandanten. "Ich habe ihn gebeten, das mit der Anzeige nicht durchzuführen", erinnert sich der Angeklagte.
"Ich hab' ihn erschossen"
"Und dann?", fragt der Richter. Langes Schweigen. "Ich hab' die Waffe gezogen und hab' sie mir an die Schläfe gehalten", behauptet der Angeklagte dann plötzlich.
"Und dann?", insistiert der Richter. Erneut langes Schweigen, dann spricht der 46-Jährige wieder: "Ich kann es mir nicht erklären, aber ich hab' ihn erschossen."
"Was geht in einem vor, dass man auf einen Kollegen, den man zehn Jahre kennt und von dem man weiß, er hat drei Kinder, schießt?", hakt der Richter nach. "Was ist in Ihnen vorgegangen?"
"Was geht in einem vor?"
Erneut nur Schweigen. "Kommt da noch was?", fragt der Richter. Nein, antwortet der Angeklagte. "Dann frage ich gar nicht mehr, was in einem vorgeht, wenn man noch ein zweites und drittes Mal auf einen Kollegen schießt, der schon am Boden dahin robbt, um sich zu retten", merkt der Richter an.
20 Jahre Haft
Direkt nach der Tat ließ sich der Mann von einem Kollegen auf der Polizeiinspektion festnehmen – der Mann war im Nebenraum und somit auch Ohrenzeuge war. "Ich hab’ drei, vier Schüsse gehört und geglaubt, ich bin der Nächste“, erinnert er sich. Doch dann kam der Angeklagte ins Zimmer, unbewaffnet: "Er hat gesagt: `Leg’ mir die Handschellen an, ich hab’ den Chef erschossen‘.“
Dienstagnachmittag fällt das Urteil: 20 Jahre Haft, nicht rechtskräftig.
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