Ausgeflogen und eingewandert: Österreichs Vogelwelt verändert sich
Alpendohlen segeln akrobatisch über die westlichen Gipfel des Landes. Seeregenpfeifer, die es bei einem Gewicht von 40 Gramm auf 45 Zentimeter Flügelspannweite bringen, flattern ausschließlich im Osten. Zitronenstelzen wiederum flogen erst Ende der 1990er-Jahre ein, um von Salzburg aus mit der Familienplanung durchzustarten: von Rabenvogel bis Sperling – der Flugverkehr über Österreich ist dicht.
Von allen gefiederten Spezies, die sich im Lauf eines Jahres zwischen Boden- und Neusiedler See niederlassen, legen zu zwei Drittel hier auch Eier. Das geht aus dem neuen Brutvogelatlas hervor, der gesammeltes Wissen über 235 heimische Vogelarten enthält.
Sechs Jahre lang erfasste Norbert Teufelbauer von Birdlife mit Hilfe zahlreicher Hobbyornithologen den Artenmix in 965 Rasterzellen, verstreut über das gesamte Bundesgebiet. Je zehn mal zehn Kilometer mussten tagelang beobachtet werden. Schließlich konnten 2,1 Millionen Datensätze von 2013 bis 2018 ausgewertet und – bereinigt mit den Ergebnissen des ersten Brutvogelatlas aus 1983 – verglichen werden.
Das Fazit: Die Populationen haben sich stark verändert.
Trends
"Wir haben uns nicht die Bestände angeschaut, sondern die Verbreitung und Veränderungen", erklärt Co-Autor Teufelbauer. Insgesamt brüten nun regelmäßig elf Arten mehr in Österreich als vor 30 Jahren. Die Rechnung ist dennoch kompliziert; Auf- und Abwärtstrends ziehen sich quer durch alle Lebensräume. So befinden sich etwa Seeadler und Großtrappe im Aufwind; finanzkräftige Schutzprojekte machen es möglich.
Für Rothalstaucher, Rötelfalke und Rotkopfwürger dagegen kommt Hilfe zu spät. Sie sind als Brutvögel gänzlich verschwunden. Auch anderen Spezies machen intensive Landwirtschaft und Verbauung das Leben schwer. In den veränderten Kulturlandschaften gibt es etwa weniger Feldlerchen. Wiesenbrütern wie dem Braunkehlchen setzt die häufige Mahd drastisch zu.
Noch dünner wird die Luft für Bergvogelarten. Alpenschneehuhn und Schneesperling müssen sich in immer höhere Lagen zurückziehen. "Der Klimawandel trägt dazu bei, dass sich Grenzen verschieben", sagt der Ökologe. Horizontal und vertikal. Insgesamt sorgt die Erderwärmung für ein Kommen und Gehen von Spezies.
Verantwortung
Viele Waldbewohner wiederum profitieren; sie werden mit den Baumflächen mehr. Buchfinken etwa brüteten in 95 Prozent aller Rasterzellen. Nicht zuletzt mischen Zuzügler die Vogelwelt auf. Die territoriale Nilgans baute 2013 erstmals in Österreich Nester, seither verdrängt das einstige Zier- beziehungsweise Nutzgeflügel ortsansässige Wasservögel von angestammten Nistplätzen.
Letztlich ist der Mensch für Auftrieb und Sinkflüge verantwortlich. "Wir schaffen es, seltene Arten zu retten, gleichzeitig gehen Bestände etlicher häufiger Arten zurück", beklagt Teufelbauer: "Dabei können wir nicht ohne Natur, wir sind Teil des Ganzen."
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