Pensionsvorteil für Pflege in Familien

Pensionsvorteil für Pflege in Familien
Immer mehr über 65-Jährige in Österreich: Gemeindebund fordert dringendes Umdenken in der Altenbetreuung.

Mehr als 450.000 Österreicher beziehen aktuell Pflegegeld. Rund 2,5 Milliarden Euro kostet das den Staat laut Statistik Austria jährlich. Dazu kommen noch Aufwendungen von Bund, Ländern und Gemeinden für ambulante und stationäre Pflegedienste – derzeit etwa 2,1 Milliarden Euro. Und die Demografen rechnen damit, dass sich die Situation noch deutlich verschärft. Ein generelles Umdenken im Umgang mit dem Thema Alter sei die einzige Lösung, sagt der Präsident des Gemeindebundes, Alfred Riedl.

Im Jahr 2075 wird ein Drittel aller Österreicher älter als 65 sein, so die Prognose. Zeitgleich nimmt die Zahl der Erwerbstätigen um zehn Prozent ab. Riedl fasst die Entwicklung so zusammen: „Die Alten werden mehr und diejenigen, die deren Versorgung finanzieren sollen, werden weniger.“ Diese Rechnung gehe nicht auf.

Zu diesem Schluss kam auch eine Vielzahl an Experten, die sich bei den heurigen „Kommunalen Sommergesprächen“ – eine Art Denkwerkstatt von Gemeindebund und Kommunalkredit in Bad Aussee – mit dem Thema „Aktives Altern“ befasst haben.

Insgesamt gibt Österreich pro Jahr 46 Milliarden Euro für die Altersversorgung aus, mehr als 40 Milliarden davon entfallen auf Pensionen (inkl. Beamten- Betriebs- und Frühpensionen, Anm.). Nicht abzuschätzen sind die Ausgaben der Privathaushalte für die Pflege. Denn 84 Prozent der Pflegegeldbezieher werden zu Hause betreut, nur 16 Prozent im Heim und nur fünf Prozent haben eine 24-Stunden-Betreuung. Experten sind sich einig: Würden alle Angehörigen, die Ältere pflegen, das nicht mehr tun, kollabiert das System der Altenbetreuung in Österreich.

Anrechnen

Um dem Rechnung zu tragen, schlägt Riedl vor, pflegenden Angehörigen die Betreuungszeiten für ihre Pension anzurechnen – ähnlich der Anrechenbarkeit von Kindererziehungszeiten. „Man muss Familien unterstützen, damit der Betroffene so lange wie möglich zu Hause versorgt werden kann.“ Mit überbordend mehr Heimplätzen rechnet der Gemeindebundchef in Zukunft nämlich nicht. Auch deshalb, weil es die mit Abstand teuerste Form der Pflege ist.

Und dass längst nicht alle Bewohner die Vollversorgung eines Heims brauchen, weiß Brigitta vom Department Gesundheits-, Sozial- & Public Management der FH Oberösterreich. Ihre Untersuchungen ergaben, dass sich der Bedarf eines Heimplatzes nicht an Pflegestufen, sondern an einer Einzelfall-Beurteilung orientieren müsse. Menschen in niedrigen Pflegestufen seien oftmals nicht auf Komplettbetreuung angewiesen. Wohl aber seien Fragen wie jene der Mobilität oder des gesellschaftlichen Anschlusses zu klären. „Viel mehr müssen alternative Wohnformen ausgebaut werden“, sagt Nöbauer. Sie regt außerdem die Mitbetreuung von Personen durch Angebote „unter einem Dach“ an, sprich, Pflegeheime könnten Wohneinrichtungen im unmittelbaren Umfeld mitbetreuen. Mobile Dienste seien derzeit kaum eine Alternative. Einerseits aufgrund des aktuellen Leistungsangebots und auch aufgrund der Kosten.

 Man muss die ‚jungen Alten‘ stärker einbinden. Und da sind die Gemeinden gefragt.

 

von Alfred Riedl

Gemeindebundpräsident

Alternatives Wohnen

Auch Alfred Riedl propagiert alternative Wohnformen.  „Nicht jede Gemeinde muss ein Pflegeheim haben.“ Er verweist etwa auf den Verein „Green Care  Österreich“, der das Geschäftsmodell verfolgt, Bauernhöfe auch als Betreuungs- und Pflegezentren zu nutzen. „Der Bauer soll weiter Landwirt sein können, aber der Hof bietet dann eine zusätzliche Einnahmequelle“, sagt Green-Care-Geschäftsführerin Nicole Prop. „Die Leute bekommen eine Aufgabe, Tagesstruktur und Betreuung. Außerdem schafft dieses System Arbeitsplätze und der Bauernhof wird zum Motor in der Region.“ Ein Beispiel für einen Green-Care-zertifizierten Betrieb ist der „Adelwöhrerhof“, eine stationäre Einrichtung für derzeit 14 Pflegebedürftige im steirischen St. Oswald/Möderbrugg.

Beispiele wie diese will Riedl noch heuer auf einer eigenen Plattform präsentieren, um Bürgermeistern Anregungen zu geben. „Wir zeigen aber auch Fälle, wo es nicht funktioniert hat.“ Das ziele darauf ab, den Verantwortlichen die Angst vor Fehlern zu nehmen. „So unterstützen wir Verwaltungsinnovationen“, sagt Riedl, der einen eigenen Budgettopf fordert, um neue Wege in der Pflege voranzutreiben.

Riedl appelliert auch an die Gemeinden, die sogenannten „jungen Alten“ der Generation 65 plus  einzubinden. Sei es in der Kinder-Ferienbetreuung, der Altenbetreuung oder bei  Fahrtendiensten im Rahmen freiwilliger  Car-Sharing-Modelle.

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