Werke der Barmherzigkeit sind der Grundpfeiler des Handelns der Elisabethinen. Ist Barmherzigkeit nicht längst überholt?
Überholt ist sie nicht. Barmherzigkeit hat zu tun mit Zuwendung, dem Zugehen auf die Menschen, den Menschen im Blick haben. Umso kälter die Zeit wird, umso mehr sehnen sich die Menschen danach.
„Schau hin und handle“ – ist ein Leitspruch der Elisabethinen. Wo muss unsere Gesellschaft genauer hinschauen? Wo muss sie handeln?
Hinschauen müssen wir auf die älter werdende Gesellschaft. Stichwort: Einsamkeit, Vereinsamung der Menschen. Das wird unsere Gesellschaft sehr stark fordern. Wir müssen früh genug schauen, dass Menschen in Wohnformen gehen, in denen sie sich so lange wie möglich alleine erhalten können und die Sicherheit haben, dass jemand da ist.
Fremde beherbergen ist einer der sieben Elisabethinischen Grundsätze. Die Spitzen der christlichen Volkspartei sprechen von „Asyl à la carte“, vom Überdenken der Menschenrechtskonvention. Wie geht es Ihnen mit solchen Aussagen?
Da gehts mir nicht gut damit. Wenn ich nur bedenke: bei uns arbeiten bis zu 14 Nationen. Im Reinigungsdienst, der so wichtig ist, sind vorwiegend Menschen aus anderen Kulturen, aus anderen Ländern. Wir werden ohne diese Menschen unsere Dinge nicht erhalten und führen können. Da braucht es Integration. Wir müssen den Menschen mit Wohlwollen begegnen. Aber das Bild vieler junger Männer auf der Straße ist nicht einfach und zeigt eine Problematik.
Gerade in Linz ist zuletzt die Lage etwas eskaliert.
Ja, das schockiert mich. Aber ich bin zeitgleich durch unser Krankenhaus spaziert. Da begegne ich auf allen Stationen, bis in den Keller, wo die Technik und die Werkstätten sind, so vielen jungen Diplomkrankenschwestern und -pflegern sowie anderen Berufsgruppen mit so einer selbstverständlichen Haltung der Freundlichkeit, der Hilfsbereitschaft. Da habe ich mir gedacht: Das macht halt keine Schlagzeilen. Das sehen wir dann nicht mehr.
Kurz zur Rolle der Frauen in Gesellschaft und Kirche. Ist da noch Luft nach oben?
Ja, es ist immer Luft nach oben. Ich bin nicht feministisch, aber ich sage: Dran bleiben und es wird sich ergeben.
Wo steht die Kirche?
Die Volkskirche neigt sich dem Ende zu. Die Kirche wird eine Minderheit werden. Aber hoffentlich wird sie eine interessante Minderheit.
Was ist Christsein heute?
Ein bewusstes Entscheiden fürs Christsein. Ich wünsche mir, dass Menschen viel mehr aus der Bibel Energie schöpfen, dass sich viele die Bibel als Orientierungshilfe und Kompass für das Leben aneignen würden. Da hat die Kirche auch etwas verabsäumt in der Verkündigung.
Verstehen Sie, dass sich viele Menschen vom Glauben und von der Kirche abwenden?
Vom Glauben wenden sich die Menschen nicht ab. Das Traditionelle in der Kirche, wie es gelebt wird – das wird sich im Extremen vielleicht halten, für die, die Sicherheit brauchen. Aber wir sind in einer Zeit, wo Freiheit ein großer Wert ist. Die jungen Menschen heute sind nicht mehr die traditionellen Kirchgänger, aber von der Lebenshaltung könnten sich manche, die sonst brav in die Kirchen gehen, eine Scheibe von ihnen abschneiden. Wenn der Glaube nicht zu einer bestimmten Lebenshaltung verhilft, sind wir am Wesentlichen vorbeigegangen.
Kommentare