13 Übergriffe auf Asyl-Quartiere im ersten Quartal

Die Angriffe auf Flüchtlingsquartiere in Österreich nehmen offenbar auch heuer zu. Nachdem das Innenministerium im Vorjahr 25 Übergriffe registriert hat, waren es im ersten Quartal 2016 bereits 13. "Die Tendenz ist sehr deutlich", sagte Ministeriumssprecher Karl-Heinz Grundböck am Dienstag auf Anfrage. Verletzte gab es bei keinem der Angriffe, Tatverdächtige wurden bisher nicht ausgeforscht.
Die jüngste Brandstiftung in einem Flüchtlingshaus in Altenfelden in Oberösterreich ist in den Zahlen noch nicht enthalten. Allerdings kam es im ersten Quartal auch zu Attacken auf bereits bewohnte Quartiere.

Böller explodierte vor Quartier
So explodierte in der Nacht auf 2. Februar ein Böller vor einem von 80 Asylwerbern bewohnten ehemaligen Gasthaus in Hard (Bezirk Bregenz). Verletzt wurde niemand, allerdings gingen durch die Explosion drei Fensterscheiben zu Bruch. Auch in den umliegenden Gebäuden war die Erschütterung zu spüren.
Asylunterkunft mit Luftdruckwaffe beschossen
Im Jänner beschossen ebenfalls unbekannte Täter die Fenster einer Asylwerberunterkunft in Klagenfurt mit einer Luftdruckwaffe und ebenfalls zu Jahresbeginn explodierte im Eingangsbereich eines Quartiers im steirischen Wettmannstätten (Bezirk Deutschlandsberg) eine Silvesterrakete.
"Dramatischer Anstieg"
Angesichts der Zahlen im ersten Quartal erwartet das Innenministerium für das Gesamtjahr einen Anstieg der Übergriffe. Schon von 2014 auf 2015 sei die Zahl der rechtsextremen Delikte deutlich angestiegen. "Insofern setzt sich dieser Trend offenbar auch im ersten Quartal fort", sagt Grundböck. Angesichts der polarisierten Debatte sei die Entwicklung zwar "keine große Überraschung", aber: "Es gibt für kriminelles Vorgehen keinerlei Rechtfertigung und null Toleranz." Wo es Anhaltspunkte gebe, werde konsequent ermittelt.
2015 wurden 25 Übergriffe verzeichnet
Laut Verfassungsschutzbericht 2015 ist die Zahl der rechtsextremen und rassistisch motivierten Straftaten in Österreich im Vorjahr um 54,1 Prozent auf 1.156 angestiegen. Der Direktor des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), Peter Gridling, sprach im Mai von einem "dramatischen Anstieg". Die Aufklärungsquote stieg demnach von 59,7 auf 65,1 Prozent.
Laut einer Anfragebeantwortung gab es im Vorjahr 25 Übergriffe auf Asylunterkünfte, darunter Brandstiftungen, Sachbeschädigungen und Körperverletzungen.
Der Grüne Abgeordnete Albert Steinhauser hatte in zwei Anfragebeantwortungen jeweils die Auflistungen des Innenministeriums erhalten. Laut der damaligen Ressortchefin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) fanden die meisten Übergriffe zwischen Juli und September statt. Es kam zu Drohungen und Sachbeschädigungen - etwa durch Brandstiftungen, Böllerschüsse oder Stein-Würfe. Auch Körperverletzungen wurden dokumentiert.
Von den Anschlägen waren Einrichtungen in allen Bundesländern betroffen, außer dem Burgenland. Besonders viele Vorfälle gab es in Kärnten, nämlich sieben. So wurden bei einem Bölleranschlag auf eine geplante Asyl-Unterkunft in Groß-Kirchheim die beiden Inhaber leicht verletzt, in Straßburg mit einem pyrotechnischen Gegenstand eine Tür beschädigt. Brand-Anschläge gab es etwa auch in Wels und in Dornbirn, ebenso in Mitterdorf, Wörgl und Traiskirchen.
Der vielleicht erschreckendste Vorfall ereignete sich in Niederösterreich, das ebenso wie Vorarlberg fünf Angriffe zu verzeichnen hatte. In Wiener Neustadt wurden Flüchtlinge mit einer Soft Gun beschossen. In Vorarlberger Einrichtungen in Hohenems und Wolfurt wurde NS-Propaganda angebracht. In Bregenz versprühte ein Mann in einem Asyl-Wohnhaus Feuerlöscher.
In Deutschland brennt fast jeden Tag ein Flüchtlingsheim. In Schleswig-Holstein zündete ein Finanzbeamter und Familienvater ein Flüchtlingsheim an. Vor Gericht sagte er, die Fremden hätten "die Idylle beeinträchtigt".
222-mal wurden zwischen 1. Jänner und 30. November 2015 Flüchtlingsheime in Deutschland angezündet, unter Wasser gesetzt, mit Molotowcocktails oder Pflastersteinen beworfen. Rassistische Schmierereien an den Hauswänden wurden dabei gar nicht mitgezählt; ebenso wenig fremdenfeindliche Menschenaufläufe oder Demonstrationen vor den Heimen der Asylwerber – inklusive dieser Vorfälle gab es 2015 laut Bundeskriminalamt insgesamt 1005 Straftaten gegen Flüchtlingsunterkünfte.
"Mit der ganzen Härte des Rechtsstaats" werde der Staat gegen Menschen vorgehen, die Flüchtlinge angreifen, hatte Kanzlerin Angela Merkel versprochen. Ein Reporterteam der Wochenzeitung Die Zeit, das im Herbst acht Wochen recherchierte, fand heraus, dass nur wenige Fälle aufgeklärt werden konnten. Von 222 Angriffen gab es in 169 Fällen keinen Ermittlungserfolg – nur 41 Tatverdächtige wurden ausfindig gemacht; in nur acht Fällen wurde Anklage erhoben und nur vier Urteile gesprochen.
"Es brennt in Deutschland", titelte die Zeit. Es stimmt zwar, dass sich die fremdenfeindlichen Aktionen vor allem in Sachsen und Brandenburg häufen, doch auch ganz im Westen, an der Grenze zu Luxemburg oder im Süden, an der Grenze zu Österreich gab es Anschläge. Den Tätern sei es meistens egal, ob die Heime bewohnt waren oder noch leer standen: Die Hälfte der angezündeten Häuser war bewohnt. Es sei ein glücklicher Zufall, dass noch kein Flüchtling bei den Anschlägen ums Leben kam.
Ralf Jäger, Innenminister von Nordrhein-Westfalen, führt die Entwicklung auch auf die Hetze im Internet zurück: "Menschen trauen sich das, weil sie glauben, dass ihre radikale und rassistische Haltung begrüßt und gutgeheißen wird." Nur ein Drittel der Verdächtigen kämen aus der rechtsradikalen Szene.
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