Kampf um Hecke bis zur letzten Instanz

Radikaler Rückschnitt
Oberster Gerichtshof: Wie radikal der Nachbar die über den Zaun wachsenden Büsche zurückschneiden darf.

Rund 11.000 Klagen werden pro Jahr rund um Streitigkeiten beim Wohnen eingebracht. Bei einem Großteil wird die Grundstücksgrenze zwischen zwei Gärten zur Kampfzone. Das seit zwölf Jahren einklarbare Recht auf Licht , wenn Nachbars Bäume zu viel Schatten werfen, ist ein Dauerbrenner. Aber auch über den Zaun ragende Äste sind Auslöser für erbittert geführte Prozesse wie in dem jetzt in juristischen Fachmagazinen diskutierten Fall einer Thujenhecke.

Nicht repräsentativ

Die Hecke im Garten eines Vorarlbergers wurde vor 40 Jahren gepflanzt. Sie besteht aus 112 Pflanzen, ist etwa 180 cm hoch, 45 m lang, war bis zu ihrer Misshandlung 130 cm breit – und jetzt ist sie wahrscheinlich tot. Zumindest ist ihre repräsentative Funktion stark beeinträchtigt.

Der Täter ist der Nachbar.

Durfte er die Motorkettensäge anwerfen, zusätzlich noch die Heckenschere auspacken und ganz tief ins Holz schneiden? Oder juristisch korrekt gefragt: Wie weit darf die Selbsthilfe des gestörten Nachbarn gehen? Die Antwort könnte in der gerade beginnenden Gartensaison von Nutzen sein.

Der Streit der beiden Grundstücksnachbarn in Feldkirch, Vorarlberg, zog sich durch drei Gerichtsinstanzen, bis der Oberste Gerichtshof ein Grundsatzurteil fällte. Doch der Reihe nach.

Den anfänglichen Erziehungsfehler hatte schon der Kläger gemacht, indem er seine damals noch 130 cm breite Hecke zu wenig geschnitten hatte. Sie wuchs ungehindert über den Zaun des Nachbarn. Dem wurde das irgendwann zu viel. Und nachdem der Besitzer der Hecke keinerlei Anstalten machte, das Gestrüpp am Wildwuchs zu hindern, griff er zur Selbsthilfe. Der gestörte Nachbar schnitt die überhängenden Äste radikal zurück, schnitt dabei bis ins braune Holz hinein, und beeinträchtigte dadurch die Vitalität der Hecke.

Die Thujen wurden vor allem durch den Einsatz der Kettensäge ausgefranst und dadurch beschädigt. Ob die Hecke ganz absterben wird, ist noch ungewiss, jedenfalls ist sie aber nicht mehr so schön anzusehen.

Fachlich richtig wäre ein mehrjähriger gestaffelter Rückschnitt der Überhanges bis zur Grundstücksgrenze angezeigt gewesen, zusätzlich wären Begleitmaßnahmen wie Düngen, Wässern etc. notwendig gewesen.

Der Thujenbesitzer klagte 4758 Euro Schadenersatz ein und verlangte vom Gericht zusätzlich, es solle dem Nachbarn künftig die nicht fachgerechte Behandlung und Kürzung der Hecke verbieten.

Schonung ist verlangt

Er blitzte damit in allen Instanzen ab. Der Oberste Gerichtshof erinnert in seiner Entscheidung zunächst an den Grundsatz: Jeder Eigentümer darf die in seinen Grund eindringenden Wurzeln eines fremden Baumes oder einer anderen fremden Pflanze aus seinem Boden entfernen und die über seinen Luftraum hängenden Äste abschneiden oder sonst benützen. Dabei hat er aber die Pflanzen möglichst zu schonen. Freilich: "Die Selbsthilfe ist jedoch nicht ausgeschlossen, wenn sich trotz schonender Vorgehensweise die Verletzung oder sogar das Absterben der Pflanze nicht vermeiden lässt."

Im konkreten Fall bedeutet das: Dem beeinträchtigten Nachbarn war nicht zuzumuten, in regelmäßigen Abständen auf die Leiter zu klettern und die Hecke in kleinen lauberhaltenden Schritten laufend über mehrere Jahre zurückzuschneiden. Er kann nämlich laut Urteil den Zeitpunkt, in dem er sein Selbsthilferecht ausüben möchte, selbst wählen. Dieses Recht erlischt nicht schon dadurch, dass er es für längere Zeit nicht ausgeübt hat.

Auch wenn "aus gärtnerischer Sicht" ein anderes Vorgehen geboten gewesen wäre: Der einmalige radikale Rückschnitt bis zur Grundstücksgrenze ist also zulässig, die Klage wurde in allen Punkten abgewiesen.

Bevor jetzt allerortens die Motorsägen gestartet und die Heckenscheren geschliffen werden, eine Warnung: Das Höchstgericht hat auch daran erinnert, dass durch die Selbsthilfe keine Gefahrenlage geschaffen werden darf. Das könnte z. B. der Eingriff in die Statik eines Baumes sein, wenn seine Krone einseitig beschnitten wird.

Höchstgericht

Der Oberste Gerichtshof (OGH) muss sich nicht nur mit Thujenhecken auseinandersetzen, er bekommt es auch mit Taubenkot und 15 m hohen Ahornbäumen zu tun.

Jahre lang tobte der Streit zweier Hauseigentümer mit Dachterrassen in der Wiener Innenstadt. Der Innenhof der Klägerin grenzt an die Hausmauer des Nachbarn. Auf dessen Dachterrasse wuchs sich die Bepflanzung zu einem Gestrüpp aus, in dem sich die Tauben sehr wohl fühlten. Dadurch wurde der darunter liegende Hof der Klägerin verunreinigt. Ihre Mieter beschwerten sich deswegen. Der OGH verglich die Taubenplage mit Abwässern, Lärm, Gestank, was man nicht hinnehmen muss, und trug dem Beklagten die Entfernung des Gestrüpps auf.

Ahornbäume, die dem Nachbaren bereits ab dem späten Mittag das Licht nehmen, waren Streitthema in einem anderen Prozess. Der Kläger sah sich einer „undurchdringlichen Wand“ gegenüber und brachte vor, dass sein Haus mangels Lichts schon von Moos überwuchert werde. Da der Kläger dem unzumutbaren Zustand nicht durch „leichte und einfache Ausübung des Selbsthilferechts“ Herr werden kann, hat er das Recht, vom Nachbarn Beseitigung zu verlangen. Ob der selbst auf die Bäume klettert oder Profis engagiert, bleibt ihm überlassen.

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