Notruf aus den Bergen: Noch nie so viele Alpinunfälle wie heuer

Rettungsaktion mit Hilfe der Flugpolizei im Hochgebirge
Mangelndes Können, fehlende Tourenplanung und schlechte Ausrüstung. 10.200 Einsätze bedeuten Negativ-Rekord der Alpinpolizei, es gibt bereits 238 Tote.

Der Trend geht beim Bergsport steil nach oben. Klettern, Wandern, Skitouren – all das steht so hoch im Kurs wie nie – auch bei völlig unwissenden Outdoor-Fans.

Mit dem bitteren Beigeschmack, dass die Zahl der Berg- bzw. Alpinunfälle in Österreich massiv ansteigt. Weil es auch immer mehr unerfahrene und völlig unvorbereitete Menschen auf die Gipfel zieht, steuern die Einsatzkräfte auf ein noch nie da gewesenes Rekordjahr hin.

Teenager in Jogginghosen und Sneakers in Lebensgefahr

Von 1. November 2024 bis 16. September dieses Jahres zeigt die Bilanz der Alpinpolizei in Österreich bereits 10.200 Einätze – so viele wie noch nie. Zum Vergleich: 2014/15 waren es im selben Zeitraum "nur“ 7.554, 2018/19 8.034 und 2023/24 auch um 1.243 Einsätze weniger als heuer.

Fälle wie im vergangenen Winter, als drei Teenager in Baumwoll-Jogginghosen, mit offenen Sneakers und ohne jegliche Winterausrüstung und Erfahrung bei minus 9 Grad Celsius und Sturmböen von knapp 100 km/h auf dem 2.076 Meter hohen Schneeberg eingeschneit in Lebensgefahr waren, kennt der Leiter der Alpinpolizei im Innenministerium, Hans Ebner, nur allzu gut. Fünf Stunden dauerte in der Nacht die Bergung des Trios.

Roland Groll von der Alpinpolizei NÖ

Roland Groll von der Alpinpolizei NÖ

Selbstüberschätzung und Vollkasko-Mentalität

Es sei die Wahl besonders anspruchsvoller und herausfordernder Bergtouren, die oft mit dem Können der Ausflügler nicht zusammenpasst, schildert der Leiter der Alpinpolizei im Semmering-Rax-Schneeberggebiet (NÖ Süd), Roland Groll.

Ein weiteres Phänomen, das die Einsatzkräfte immer häufiger bei ihrer Arbeit im Gebirge beobachten, ist das blinde Vertrauen in diverse Handy-Apps. Eine gewisse Vollkasko-Mentalität führt dazu, dass Bergsteiger und Wanderer gerne unbekannten Pfaden folgen und sich dann wundern, wenn sie im Hochgebirge in einer steilen Felswand landen und nicht mehr vor oder zurück können.

Gefährliche Zeit in den Bergen

"Es mangelt oft an der nötigen Tourenvorbereitung bzw. Ausrüstung. Auch Wetterprognosen werden teilweise völlig außer acht gelassen oder falsch interpretiert“, mahnen Groll und sein steirischer Alpinpolizei-Kollege Gerhard Rieglthalner bei einem Gesprächsgipfel im Innenministerium.

Weil mit dem Beginn des Wanderherbstes die besonders gefährliche Zeit im Jahr gerade angebrochen ist (frühe Dunkelheit, Kälte und Eis in exponierten Lagen, etc.), startet die Alpinpolizei eine Aufklärungskampagne. Als verlässlicher Partner der knapp 550 Alpinpolizisten österreichweit gilt die Flugpolizei.

Nächtlicher Einsatz am Stadelwandgrat am Schneeberg

Nächtlicher Einsatz am Stadelwandgrat am Schneeberg

Flüge werden in Rechnung gestellt

Von den rund 5.300 Einsatzflügen der 16 Polizeihelikopter im vergangenen Jahr, wurden knapp über 600 im Gebirge geflogen. Auch hier ist ein Trend ganz klar erkennbar. Mangelndes Können, Kondition oder schlechte bzw. gar keine Tourenvorbereitung spiegeln sich auch in der Statistik wieder.

Noch nie mussten so viele Unverletzte mit dem Hubschrauber aus einer Notlage befreit werden. Im Vorjahr waren es 386 solcher Bergungen, dazu kamen 21 Rettungen von Verletzten sowie 139 Totbergungen.

Fast 50 Prozent aller Unverletzten-Bergungen (184) wurden den Verursachern in Rechnung gestellt. "Es gibt eine Kostenersatzpflicht, wenn wir durch grobe Fahrlässigkeit zum Einsatz kommen“, erklärt Flugpolizist Martin Otahal.

53 Euro für die Flugminute

Diese Gebühr ist mit 53 Euro pro Flugminute des Hubschraubers angesetzt, 34 Euro pro angefangener Stunde beträgt der Kostenersatz für einen Beamten. Alleine bei der Flugpolizei wurden 2024 deshalb 519.000 Euro an Einsatzkosten den Verursachern verrechnet.

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