Ein Boot-Camp als letzter Ausweg

Gestrandete Jugendliche sollen auf dem Segelschiff „Noah“ wieder in ihrem Leben Fuß fassen. Neun Monate dauert die volle Betreuungszeit an Bord.
Seereise vor Portugal soll problematische Halbwüchsige wieder auf den rechten Weg bringen

Ein letzter Ausweg vor dem endgültigen Abrutschen soll es sein. Ein sicherer Halt für Teenager, die in ein haltloses Leben geraten sind: Das Schiff „Noah“, das vor Portugal kreuzt.

Neun Monate, ein ganzes Schuljahr lang, sollen vier Jugendliche gemeinsam mit sechs Mann Besatzung Teamwork lernen; lernen, Verantwortung zu übernehmen. Und sich vor allem von den Problemen, die in ihrer Heimat in Wien geherrscht haben, abkoppeln. „Das Leben auf engem Raum fordert ein hohes Maß an Rücksichtnahme und sozialer Toleranz auch in der Entwicklung von Konfliktlösungsstrategien“, heißt es auf der Homepage des Arbeitskreises „Noah“.

Manfred Hahn vom Wiener Jugendamt (MA11) erklärt: „Für viele Kinder ist es die letzte Chance. Das Schiff ist ein geschützter Rahmen, wo sie nicht den Gefahren ausgesetzt sind, denen sie sonst ausgesetzt sind.“ Die sechs Erwachsenen an Bord haben einschlägige Ausbildungen. „Der Kapitän ist diplomierter psychiatrischer Pfleger“, sagt Jugendamtssprecherin Herta Staffa.

Wie der KURIER berichtete, ist der jüngste Versuch, die 13-jährige Sophie Z. (Name von der Redaktion geändert) an Bord zu nehmen, gescheitert. Der Druck, den ihr Vater ausgeübt habe, habe die Verantwortlichen veranlasst, ihr nach bereits einer Woche wieder den Rückflug nach Wien zu ermöglichen. Das sagt Herbert Siegrist, Leiter von „Noah“, der auch betreute Wohngemeinschaften in Wien betreibt.

Ohne Zwang

Ein Boot-Camp als letzter Ausweg
Jugendamt Schiff, Arche Noah, Portugal,
„Manche Kinder wollen schon nach kurzer Zeit zurück“, sagt auch Herta Staffa. „Aber einige wollen dann doch wieder auf die ,Noah‘, weil sei merken, dass es ihnen gutgetan hat.“ Mit Zwang könne man keinen Jugendlichen dort halten. „Mit Gewalt geht gar nichts, die Kinder müssen das auch wollen.“ Gerade für Jugendliche, die bereits auf der Psychiatrie mit Medikamenten behandelt wurden, sei die Schiff-Therapie ideal. „Denn das Ziel ist, medikamentenfrei zu werden“, sagt die Sprecherin des Jugendamtes.

Drogen?

Ein Mädchen, das im Vorjahr auf dem Schiff untergebracht war (allerdings wegen disziplinärer Schwierigkeiten die Heimreise frühzeitig antreten musste), spricht gegenüber dem KURIER von Betreuern, die „saufen und kiffen“. Auch Jugendliche an Bord sollen an Drogen herangekommen sein. Man könne nicht verhindern, „dass Jugendliche, die Drogen konsumieren wollen, diese auch bekommen“, sagt Herbert Siegrist. „Wenn jemand weiß, wie und wo er in Wien zu Drogen kommt, findet er die auch an anderen Orten.“ Zudem könne er auch „nicht ausschließen, dass es den einen oder anderen Mitarbeiter gegeben hat, der etwas konsumiert. Aber das Ziel ist die Drogenfreiheit.“

Manfred Hahn von der MA11 meint, dass man Betreuer, die Drogen nehmen, auf jeden Fall anzeigen müsse. Aber auch er räumt ein, dass Jugendliche in Hafenstädten nicht gänzlich von Rauschgift ferngehalten werden können, wenn sie sich welches besorgen wollen. Schließlich wären sie nicht eingesperrt.

Ein mittlerweile erwachsener Mann, der vor einigen Jahren als Jugendlicher auf der „Noah“ mitsegelte, gibt an, am Schiff im Alter von 13 „entjungfert“ worden zu sein. Also Sex mit einer anderen Jugendlichen gehabt zu haben. „Sexualkontakt? Bitte, das haben wir alle in dem Alter gelernt. Wenn, dann sollen das die Jugendlichen, wenn sie sich am Schiff verlieben, doch mit Gleichaltrigen versuchen. Das sind meist schönerer Beziehungen, als sie zuvor in ihrem Leben gehabt haben“, sagt Noah-Chef Siegrist.

Die Betreuer würden die Burschen und Mädchen sicher nicht dazu motivieren. „Aber Sex unter Jugendlichen ist doch bitte etwas ganz Natürliches.“

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