"Nicht ohne meinen Anwalt": 1200 mal

18 Anwälte und Anwältinnen stehen bereit
Hotline: Rechtsbeistand nach Festnahme wurde vier Mal so oft wie bisher in Anspruch genommen.

Heuer haben bis jetzt 1206 festgenommene Verdächtige vor ihrem Verhör bei der Polizei gesagt: "Nicht ohne meinen Anwalt." In diesen Fällen wurde der österreichweit kostenfreie anwaltliche Notruf ( 0800/ 376386) gewählt und einer von 18 rund um die Uhr erreichbaren Strafverteidiger konsultiert.

Rechtsanwaltspräsident Rupert Wolff und Sektionschef Christian Pilnacek vom Justizministerium zogen am Mittwoch Bilanz, wobei Wolff die Journalisten mit der doppeldeutigen Aufforderung begrüßte: "Bleiben Sie sitzen!"

Im Schnitt gibt es im Monat 120 solcher Anrufe bei der Hotline, in jedem vierten Fall rücken die Bereitschaftsanwälte aus und stehen dem Beschuldigten bei der Einvernahme bei. Dazu kommen freilich noch alle jene, die schon mit ihrem Wahl-Verteidiger zur Vernehmung erscheinen. Wobei nicht jeder Strafverteidiger auch gleich den Privatchauffeur im Smart spielt, wie Manfred Ainedter für Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser.

Der Anwalts-Notruf wurde heuer vier Mal so oft gewählt wie bisher. Und doch bleibt noch viel Luft nach oben: Immerhin gab es 2017 bereits 5800 Anträge der Staatsanwälte, Beschuldigte in U-Haft zu nehmen.

EU-Richtlinie

Zwar gilt seit fast zehn Jahren für alle Festgenommenen das Recht auf anwaltlichen Beistand bei der Befragung durch Polizei, Staatsanwaltschaft oder Gericht, bisher wurde das aber in der Praxis eher locker gehandhabt. Mit 1. Jänner 2017 wurde eine EU-Richtlinie zum Rechtsbeistand umgesetzt und gesetzlich verankert. Die Polizei muss nun über den Notruf informieren, in den Wachzimmern hängen Plakate und liegen Aufklärungsblätter in 38 Sprachen auf.

Für den Rechtsbeistand bei der Vernehmung werden pauschal 120 Euro plus Umsatzsteuer verrechnet. Bei Personen, die sich das nicht leisten können, springen der Österreichische Rechtsanwaltskammertag und das Justizministerium ein. Die jährlichen Kosten werden mit rund einer Million Euro beziffert.

Das früher von Polizei und Staatsanwälten abgelehnte Recht auf einen Anwalt von Anfang an wird inzwischen auch von den Beamten geschätzt, wie Sektionschef Pilnacek berichtet. Mit Beiziehung eines Strafverteidigers werden Emotionen nach der Festnahme reduziert. Und die Vernehmenden haben eine gewisse Sicherheit, dass die Geständnisse auch halten. "Wenn der Anwalt dabei sitzt, kann man als Beschuldigter später schlecht behaupten, die Aussage wurde unterschoben oder kam unter Druck zustande", sagt Pilnacek. Nach wie vor gilt: Verdächtige dürfen, mit oder ohne Anwalt, schweigen (oder auch lügen). Das Bild aus US-Filmen, dass man bis zuletzt nichts sagt, entspricht laut Pilnacek aber nicht der Praxis.

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