Nachbarin fotografiert: Opfer erhält 5000 Euro
Sich vor den Augen seiner Nachbarin selbst zu befriedigen war der Höhepunkt jahrelanger Stalking-Attacken, die einen Weinviertler 5000 Euro kosteten. Diese Summe wurde Karin W. (Name geändert) nun im Zivilverfahren als Schmerzensgeld zugesprochen. Sie selbst kostete die Belästigung jedoch ihre psychische Gesundheit. W. gilt nun zu 50 Prozent als behindert. "Unser Leben hat sich total verändert", sagt sie.
Zwischen Mai 2012 und August 2013 wurde W. von ihrem Nachbarn terrorisiert. Sobald sie ihren Garten betrat, war er da und fotografierte sie. Zudem verfolgte er W. auf der Straße. Schon bald begann er in das straßenseitig gelegene Schlafzimmer des Ehepaars zu filmen. Um einen besseren Blick zu haben, kletterte er sogar auf seinen Traktor. Die W.’s zogen in ein anderes Zimmer. "Im September 2012 habe ich dann Äpfel geklaubt und da habe ich gesehen, dass er da steht und onaniert", erzählt W.
Da brach sie zusammen. Ohne ihren Mann konnte die Frau das Haus nicht mehr verlassen. Bis heute braucht sie ihn häufig als Begleitung. "Ich war sehr oft unterwegs. Das war nicht mehr möglich", sagt W. Sofort hätte sie Panikattacken bekommen. Der Arbeit im Garten, die sie so geliebt hatte, traute sich W. nicht mehr nachzugehen. "Alles was schön war, ist eine Belastung für mich geworden." Es folgten Krankenstände und Reha-Aufenthalte.
2013 legte der Nachbar nach. Als sie ein Bad in einer von einer Mauer geschützten Freiluftwanne nahm, legte er eine Leiter an die meterhohe Umfassung und filmte darüber. Für das "Spechteln" wurde der Nachbar zwei Mal, für die sexuelle Belästigung ein Mal verurteilt. Doch erst als eine einstweilige Verfügung abgelaufen war – gegen die er mehrmals verstoßen haben soll – hörte er mit dem Psychoterror auf. "Das Schlimme ist, man fühlt sich immer verfolgt. Ich habe mich dauernd umgedreht", erinnert sich W.
Kaum Zivilklagen
Aufgrund der psychischen Beeinträchtigung, die W. erlitt, forderte ihre Anwältin Sonja Scheed auf dem Zivilweg 15.000 Euro Schmerzensgeld. Ein Gerichtsgutachten konnte bei W. jedoch keine Beeinträchtigung mit Krankheitswert feststellen, daher wurden ihr 5000 Euro zugesprochen. Zu wenig findet Scheed.
Tatsächlich gilt es als schwierig, psychische Belastungen zu bewerten. Zudem werden laut der Opferhilfe "Weisser Ring" in Österreich generell keine hohen Summen an Schmerzensgeld zugesprochen. Der Wiener Anwalt Nikolaus Rast meint zu dem Fall: "5000 Euro erscheinen mir an sich eher viel, aber für einen Zeitraum von einem Jahr ist das schon angemessen." Viele Opfer betrifft diese Überlegung aber ohnehin nicht. Nur wenige würden ein Zivilverfahren anstreben, sagen Experten. Sie seien froh, ihre Peiniger nicht mehr sehen zu müssen. W. sieht das anders. "Es hat mich gestärkt. Ich habe das Gefühl gehabt, er gehört zur Rechenschaft gezogen."
2196 Fälle von Stalking wurden laut Kriminalstatistik österreichweit 2014 angezeigt. 1908 Fälle wurden geklärt. Doch insgesamt gab es nur 195 rechtskräftige Verurteilungen.
"Gerade bei Stalking-Fällen steht oft Aussage gegen Aussage", sagt Dina Nachbauer von der Opferhilfe "Weisser Ring". Die Expertin rät Betroffenen, dem "Stalker" – oft sind es Ex-Partner – klar zu machen, dass man die Belästigung nicht duldet. Dann sollte man nicht mehr darauf reagieren. "Wenn das nicht reicht, ist es das Beste ein Protokoll zu führen, wann ruft er an oder wann lauert er mir auf." Auch eine Anzeige bringe oft Erfolg, "weil der Stalker sieht, dass sich das Opfer nicht alles gefallen lässt". Auch eine einstweilige Verfügung könne beantragt werden.
Opfer-Notruf des "Weissen Ring": 0800 112 112.
Internet: www.weisser-ring.at
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